hz Pussy Riot Maria Aljochina 2 opt.2017Pussy Riot kamen mit ‚Riot Days‘ auf zwei Tage nach Frankfurt – einzige Station in Deutschland, Teil 2/2

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – ‚Tage des Aufstands‘ sind das noch recht frische Protokoll jener aufsehenerregenden Ereignisse, lesenswert, weil die Folge der Ereignisse über eine weit verbreitete Mentalität und eine sich daraus ergebende polizeistaatliche Praxis - Dissidenten werden umgehend gejagt und arretiert, Lagerhaft bleibt gängige Praxis – ausgiebig informiert.  Das Protokoll erteilt darüber Auskunft, dass im Prozess der Erringung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit Russland wieder zurückgefallen ist, schon mal weiter war, weil der abgestandene Sexismus einer Machogesellschaft fröhlich Urstände feiert (‚Tage des Aufstands‘, Mascha Alechina, ciconia ciconia, 2017).

Es ist in Russland ein Lagerkrieg am Laufen. Aktionskünstlerinnen wie Pussy Riot werden orthodox und machistisch angefeindet, zu modernen Hexen erklärt, wie eine depravierte Religion es leider verbreitet. Religionsfeindschaft liegt im Fall von Pussy Riot aber gar nicht vor. Die Verbindung von Politik und Religion, zu beiderseitigem Vorteil, gilt in Russland als mafiahaft. Merkel stellte sich im Beisein von Putin grundanständig an die Seite von Pussy Riot. Das Verfahren gegen die Frauen halte sie für überzogen. Putin konterte mit einem aus Unbeholfenheit ausgestoßenen Antisemitismusvorwurf gen Pussy Riot. Madonna solidarisierte sich mit ihren Künstlerinnen-Kolleginnen, indem sie den Schriftzug ‚Pussy Riot‘ auf ihre freie Rückenpartie auftragen ließ und ihn in unverwechselbarer Gangart souverän über die Bühne bewegte.


Die Musik ist die Avantgarde der Protestbewegung

Dieser ehrende Satz fiel, als Pussy Riot am 07.12.2012 in Oberhausen den Sonderpreis der 1Life Krone übergeben bekamen. Da war große Bühne, große Show, während ‚Kater‘ sich im moma-Interview noch mit der Strickmaske, die an eine Sturmmaske erinnert, vor Erkennung schützen musste. Denn in Russland leben Dissident*innen gefährlich. Ihr Tun als Künstler*innen – es gibt noch so viele andere - wird kriminalisiert. Nicht nur der Feminismus, auch die freie Meinungsäußerung ruft die auf dem Fuß folgende Repression hervor.

Putins Reaktion auf Mädchen und Frauen, die jung und rebellisch sind, wird im Film ‚Ein russischer Skandal‘ sexistisch geheißen, weil er gesagt haben soll, dass Frauen in erster Linie Kinder gebären müssen, um die demographische Situation zu verbessern. Wer den Komplex Pussy Riot aufarbeitet, stößt auf eine Fundgrube des Machismus (in dessen Dienst auch Wärterinnen treten); es gereicht auch zur Schande für das immer noch nicht recht endlich aus dem Ei entwickelte männliche Geschlecht, das sich vielfach weigert kulturell aufzusteigen. Zu Putin befragte Passanten äußern sich unterschiedlich, die einen sagen ‚einige seiner Aussagen sind unzulässig für einen Präsidenten‘, ein anderer sagt: ‚Schade, dass es für sowas nur 7 Jahre Haft gibt‘, ein dritter meint: ‚einfach aufhängen, lynchen‘. So aber können sich auch Passantinnen und Passanten in einer deutschen Fußgängerzone äußern.


Foto: © Heinz Markert

Info:

Maria Aljochina wurde unterstützt durch die Sängerin und Saxofonistin Anastasia Ashitkova, den Vokalisten Kiryl Masheka und Schlagzeuger und Sänger Maxim Ionov.

Das Protokoll eines an der undiskutierbaren Forderung der Moderne nach: Rechtsstaatlichkeit, Einhaltung der Menschenrechte und Achtung der Menschenwürde scheiternden Staatsgebildes kam passend zum Konzert: Mascha Alechina,‘Tage des Aufstands‘, 290 Seiten, ciconia ciconia, Berlin 2017. Die Schrift ist eine ‚Fundgrube‘ für das Nachleben des Poststalinismus und Kleinbürgerfaschismus.

Pussy Riot haben ein T-Shirt herausgebracht, auf dem steht: Everyone can be Pussy Riot