m barenboimberlinWiedereröffnung der Berliner Staatsoper 2017

Kirsten Liese

Berlin (Weltexpresso) - Es ist ein eigenartiges Gefühl, die Berliner Staatsoper nach sieben Jahren wieder zu betreten. Auf den ersten Blick meint man, es hätte sich kaum etwas verändert, alles sieht aus wie man es in Erinnerung hat: die Fassaden, die Decke, die Stühle! Und zugleich bietet sich ein prächtiger Anblick. So soll es sein.

Es war jedenfalls die richtige Entscheidung, das Haus nicht vollkommen zu modernisieren, wie es zeitweise im Gespräch war, sondern es bei einer Sanierung zu belassen, an dem prächtigen Retro-Rokokostil nach den Vorlagen des DDR Architekten Richard Paulick festzuhalten.

Allein das Akustikgitter unter der Decke sticht als Novum hervor, es dient einer verbesserten Nachhallzeit, fügt sich aber in den goldglänzenden Stuck der Decke bestens ein.

Reiflich unbefriedigend wirkte indes die Musiktheaterproduktion „Zum Augenblicke sagen: Verweile doch!“, die Daniel Barenboim und Jürgen Flimm zur feierlichen Wiedereröffnung entworfen haben. Das fängt schon damit an, dass die Musik zu kurz kommt. Die „Szenen aus Goethes Faust“, die den Kern der Produktion bilden, stellen aufführungsgeschichtlich zwar eine Rarität dar, zählen aber nicht zum Besten, was Robert Schumann geschrieben hat. Es ist formal mehr ein Melodram als eine Oper, mutet stark gestrafft, etwas fragmentarisch an und spröde seitens der Partitur.

Jürgen Flimm hat dem Werk keinen Gefallen erwiesen, indem er es mit noch mehr Originaldialogen aus Goethes Schauspiel zugetextet hat. Die Musik wird somit noch marginaler. Allenfalls Größen vom Format eines Bruno Ganz hätten dieses Konstrukt vielleicht retten können, aber auf der Bühne versammeln sich Schauspieler, die ihre Texte trivialer herunterleiern als jeder halbwegs ambitionierte Laiendarsteller.

Nur die „Zueignung“ aus Goethes „Faust“, die Anna Tomowa-Sintow in schlechtem Deutsch rezitiert, wirkt noch peinlicher. So peinlich, dass man auf den absurden Gedanken kommen konnte, die Staatsoper habe eine Migrantin engagiert, um ein Zeichen ihrer Willkommenskultur zu setzen. Denn kaum einer erkennt die bulgarische Sopranistin, die in DDR-Zeiten ins Ensemble der Lindenoper kam. Weil versäumt wurde, ihren Auftritt anzukündigen, und sich die Sängerin dem Text in keiner Weise gewachsen zeigt, missglückt die angedachte Hommage.

Dazu wirken Flimms Regie und das Bühnenbild von Markus Lüpertz, der sich in erster Linie mit übermenschengroßen Figuren als Bildhauer einbringt, beliebig. Ebenso gut hätte man die Produktion konzertant anberaumen können. Zu berührenden Szenen kommt es jedenfalls nicht.

Zumindest wird unter Barenboims Leitung auf hohem Niveau gesungen und musiziert.

Allen voran die Sopranistin Elsa Dreisig, neu am Ensemble, gibt der Figur des vom Doktor Faustus verführten Gretchens jenen Liebreiz, den Meike Droste vermissen lässt. René Pape gibt den Mephisto trefflich polternd und Roman Trekel ist als Faust so gut wie lange nicht, führt seinen Bariton schlank und ohne sein früheres unschönes Vibrato durch alle Register. Aus dem übrigen Ensemble sei Stephan Rügamer hervorgehoben, dessen geschmeidiger, leuchtender Tenor wie prädestiniert erscheint für die Figur des Ariel. Aber auch der große Beifall für den Staatsopernchor erschien verdient.

Foto:  © Holger Kettner