o Walkyrie c CaroleParodi 02 thumbRheingold und Walküre an der Oper Genf, Teil 2/2

Jacqueline Schwarz

Genf (Weltexpresso) - Bei alledem ist man geneigt, dem scheidenden Intendanten Tobias Richter dafür zu danken, dass er sein Ensemble einmal nicht nur aus den üblich verdächtigen, an zahlreichen Häusern herumgereichten Weltstars rekrutiert hat. Abgesehen davon, dass die Sänger darauf achten müssen, nicht mit zu vielen Verpflichtungen ihre Stimmen zu ruinieren, stimmt es neugierig, wenn sich auf den Besetzungszetteln vor allem unter den Tenören einmal andere Namen finden als Andreas Schager oder Jonas Kaufmann:

Will Hartmann bietet als Siegmund viel Kraft für seine Wälse-Rufe auf und singt in der Mittellage über weite Strecken mit balsamischem Schmelz, quält sich nur leider angestrengt durch die höheren Register.

Nahezu alle im Ensemble singen übrigens mit exquisiter Textverständlichkeit, unter den Männern allen voran Tom Fox (Alberich) und Taras Shtonda (Fafner), die auch mit starker Präsenz agieren, sich nur leider als nicht ganz höhensicher erweisen. Dagegen empfahl sich der Russe Alexey Tikhomirov mit seinem in allen Registern sicher geführten profunden Bass als ein auch von seiner mächtigen Statur her idealer Hunding und Fasolt.

Michaela Kaune, in Genf als Sieglinde zu erleben, habe ich zuletzt in lyrischen Partien wie Marschallin oder Arabella an der Deutschen Oper Berlin erlebt. Das ist schon ein paar Jahre her. Mittlerweile hat sich die Stimme der Hamburger Sängerin enorm ins lyrisch-dramatische Fach entwickelt. Rund, warm und groß tönt ihre Mittellage in ihrer Szene „Der Männer Sippe saß hier im Saal“, nach oben hin ist ihr Sopran noch größer geworden, erstrahlt gewohnt kultiviert und in der richtigen Mischung von Kopf- und Bruststimme in entscheidenden Phrasen wie dem „oh hehrstes Wunder“.

Ebenfalls eine Wucht: der in allen Registern wohltönende Mezzo der Fricka von Ruxandra Donose und der glutvolle Alt Wiebke Lehmkuhls in der leider nur kleinen Partie der Erda.

Mit dem Orchestre de la Suisse Romande war bei alledem noch ein weiterer grandioser Protagonist an Bord. Ich hatte nicht erwartet, dass ich über den Dirigenten Georg Fritzsch vergleichbar ins Schwärmen geraten würde wie über Christian Thielemann. Das fängt schon damit an, dass er die Tetralogie im Gesamten klug disponiert, also nicht schon in den Fortissimo-Stellen im „Rheingold“ das ganze Pulver verschießt. Noch dazu ist er ein Dirigent, der das Seelische der Musik wunderbar sensitiv ausstellt. Nicht nur die Holzbläser tönten da entsprechend melancholisch und sehnsuchtsvoll, sondern auch die Streicher musizierten ungemein empfindsam, allen voran das Solocello im ersten Akt der Walküre, wenn Siegmund und Sieglinde in Liebe verfallen. Aber auch das Blech, allen voran die Hörner, die selbst in deutschen Spitzenorchestern mitunter kieksen, tönten hier schon an exponierter Stelle im Rheingold makellos, golden und rund, dass es eine reine Wonne war! Und wenn das Orchester in vollem Tutti aufspielt wie beim Walkürenritt oder bei Wotans Abschied, hat Fritzsch keine Scheu, im Tempo immer breiter zu werden, so dass sich der opulente Klang aufs Prächtigste entfalten kann.

Seltsam, dass der Name Fritzsch bislang an den bedeutenden Wagnerbühnen noch nicht angekommen ist. Nach so einem müssten sich die Häuser doch eigentlich reißen!

Das Genfer Publikum, darunter auch viele herumreisende Wagner-Fans, wussten diese Qualitäten zu schätzen und feierten Orchester und Dirigent wie die Könige.

Fotos:
© Carole Parodi