Nadja  Singer und Lutz Görner im Hoch'schen Konservatorium im Mai 2019 in Frankfurt

Iris GT. Schmidt

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Der übliche klassische Musikabend ist tot, es lebe das Gespräch!  Diese Einsicht ist überall auf der Welt gängige Praxis, bei uns wird sie seit Jahrzehnten erfolgreich, insbesondere von Lutz Görner vorgeführt.

Diesmal präsentierte er sich neben der Nadja Singer, einer dynamischen preisgekrönten Pianistin, schick und frech  im  Sportdress mit Strass besetzter Schirmmütze, an einem überdimensional wirkenden Flügel im Saal des Hoch'schen Konservatoriums.

Ihr Thema war der Pariser Komponist Hector Berlioz, genauer seine Deutschland-Reise Ende der 1830er Jahre. Berlioz ist in Frankreich als Komponist, vor allem aber als scharfzüngig. wissender, ironisch sich selbst überhöhender Feuilletonist berühmt. Als erstes veröffentlichte er ein zutreffendes Resümee der künftigen Reise noch vor der Abreise von Paris. Seine musikalischen Reise-Erlebnisse waren in der Form privater Briefe an Freunde gehalten, vornehmlich an "François List" - Ganz Paris fieberte danach.

Eine Steil-Vorlage für Lutz Görner, der es kongenial verstand, das Publikum  humorvoll auf Berlioz' Tour d' Horizon durch Deutschland zu begleiten. Da gab es viel beachtete, große Erfolge, in Leipzig, Dresden, Weimar, Berlin und Braunschweig, und Nicht-Erfolge wie in Mannheim (das ehemals beste Orchester Deutschlands war mit dem Fürsten nach München verzogen). Erfolglos blieb leider auch Frankfurt, wo drei Kinder-Stars auf der Violine wochenlang die Kassen der Impresarios füllten und die Konzerthäuser blockierten.

Nebenbei erwähnt Lutz Görner den Werdegang des Komponisten. Hector, Sohn eines Mediziners, durfte als Kind nicht Klavier spielen, allenfalls Flöte. Nachdem er später in Paris die Medizin aufgab, um Musik zu studieren, verfluchte (!) ihn allen Ernstes seine Mutter. Zwar  lieferte er Richard Wagner die Inspiration für dessen Idee vom Leitmotiv, von Berlioz in seiner Symphonie fantastique als „idée fixe“ bezeichnet. Die Urheberschaft des Leitmotivs wird jedoch allein Wagner zugeschrieben.

Das musikalisch rückständige Pariser Publikum verhöhnte anfangs seine Kompositionen. Berlioz kehrte Paris den Rückend reiste, den hart erkämpften Preis im Gepäck, nach Rom, wo er zwei Jahre in der Villa Medici wohnen, essen  und komponieren konnte.

Doch wo seine Werke präsentieren? Auf Anraten von Franz Liszt entschloss er sich, in Deutschland sein Glück zu versuchen. Stuttgart brachte endlich die ersehnte Anerkennung. Das Königshaus verlegte Termine, um seinen Konzerten beizuwohnen. Berlioz erkor Deutschland zu seiner künstlerischen Heimat.

Später zog er selbst ein Resümee seines musikalischen und privaten Glückes: "Ich sollte die Steine sammeln, die man auf mich warf, um sie zum Fundament meines Denkmals zu machen!"

Mehr als ein Denkmal erschufen ihm an diesem Abend Lutz Görner und Nadja Singer.

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