zu Gast in Schlüchtern mit eigenwilligen musikalischen Interpretationen

Hanswerner Kruse

Schlüchtern (Weltexpresso) - Das Konzert begann ohne Sängerin mit dem einhundert Jahre alten St. Louis Blues, dem ein extrem langes Intro des Schlagzeugers Tobias Schirmer vorausging. Der frühere Schlüchterner trommelte vor, wo es denn lang gehen sollte: Zunächst Latino-Rock mit schrägen Percussion Soli, dann stiegen Bandleader Luley am Piano und Paul G. Ulrich am Bass mit wildem Boogie Woogie ein.

 


Als der Pianist forderte: „Genug der Instrumente“, fegte Boykin auf die Bühne und durch die Jazzgeschichte.  Die Sechzigjährige sprang zwischen Duke Ellingtons Swing, traditionellem Blues und fröhlicher Rockmusik hin und her. „Als ich Teeny war, habe ich Rock ‘n Roll gehört“, gestand die Sängerin, „darum greife ich manchmal in diese Tüte.“ Mit „dreckiger“ Saxophon-Stimme drohte sie dann im Elvis-Song „Trouble“, „If you looking for trouble/ You came to the right place ...“ (Wenn Du Streit suchst, bis Du hier gerade richtig...).


Die rockigen Cover-Versionen waren keine 2-Minuten-Stückchen wie im Original, bei Brenda und ihrem Trio entstanden daraus eher kleine Jazz-Opern. Die Sechzigjährige brachte mit ihrer unglaublichen Bühnenpräsens die triste Schlüchterner Stadthalle zum Grooven. Sie rockte, swingte und rappte, forderte stimmlich ihre Instrumentalisten heraus - schnurrte den Bass an, fetzte sich mit dem Schlagwerk, wetteiferte in höchsten Tönen mit dem Piano. Dazwischen illustrierte sie mit Slapsticks und Pantomimen die Liebesdramen der Songtexte.


Die Besucher, mit denen sie durchgehend im Kontakt blieb, erlebten kein einstudiertes Spektakel, sondern eine sehr spontane Darbietung. „Man muss höllisch aufpassen, was von ihr kommt“, sagte Schirmer nach dem Konzert, „um sofort reagieren zu können.“ Sängerin und Band zerlegten ziemlich unvermittelt traditionelle Jazz- und Rockstücke, improvisierten viel und sprangen durch diverse Musikstile. Danach setzten sie dann verspielt alles bravourös wieder zusammen.


In der - wie Brenda sie nannte - Gospel Hymne, „What a friend we have in Jesus“, brachte sie die große Kraft und Bandbreite ihrer tiefen Stimme zu Gehör. Weitere Höhepunkte waren ihr Duett mit dem Bass in Ellingtons „Blue Indigo“ oder der Country Hit „Jambalaya“, der hauptsächlich aus dem rhythmischen Dialog des Schlagwerks mit Brendas vokalen Improvisationen bestand.


Die großartige Virtuosität ihrer Stimme und die musikalische Meisterschaft des Trios traten allerdings leicht hinter ihre extrovertierte Bühnenschau zurück. Für Jazz-Puristen wird auf der CD „Se Ya Later“ die Qualität des Ensembles noch deutlicher. Die Scheibe folgt mit 14, stilistisch sehr abwechslungsreichen Stücken grob dem Ablauf des Konzerts.  Diese Interpretationen sind musikalisch oft wesentlich komplexer, aber natürlich weniger aufregend als das großartige Gastspiel. Dennoch blitzen auch auf der CD die Spiellust und der spontane Humor dieser Jazzer auf.

Info: CD: Brenda Boykin & Jan Luley Trio „See Ya Later“

Foto: Brenda Boykin im Duett mit dem Bass (c) Hanswerner Kruse