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Kategorie: Musik

Die Österreichische Nationalbibliothek erwarb 53 Musikhandschriften des 2011 verstorbenen Multitalents Georg Kreisler

 

Anna von Stillmark

Wien (Weltexpresso) – Die Sommerpause hat verhindert, daß wir nicht früher berichten konnten, daß endlich auch in Wien in die Österreichischen Nationalbibliothek originale Musikhandschriften von Georg Kreisler gelangten, die derzeit archiviert werden. Wir hatten sowohl über die letzten Auftritte, seinen Tod und seinen Todestag berichtet, weil uns Georg Kreisler eine Verbindungsfigur von Verankerung in der Wiener Kultur über die gelungene Flucht in die USA mit ihrer Internationalität und zurück im Wien der Nachkriegszeit zum Wahrsager über die gesellschaftlichen Zustände wurde – und dabei in jeder Hinsicht hochmusikalisch.



Georg Kreislers Interessen und Fähigkeiten erstreckten sich von der Schriftstellerei über das Kabarett bis hin zur musikalischen Komposition. Berühmt wurde er vor allem für seine pointierten und zynischen Lieder, die im Österreichischen Rundfunk zeitweise nicht gesendet werden durften und wo das „Taubenvergiften im Park“ ihn im gesamten deutschsprachigen Raum berühmt machte und zu einer Redewendung wurde. Kreisler hatte es schwer mit Wien, aber Österreich auch mit ihm. 2007 übergab er seinen künstlerischen Vorlaß der Akademie der Künste in Berlin, doch aus dem Besitz seiner dritten Ehefrau Topsy Küppers, die selbst als Sängerin und Autorin eine prominente Stellung im österreichischen Kulturleben einnimmt, gelangten im Juni 2012 53 Manuskripte von teils unveröffentlichten Liedern in die Österreichische Nationalbibliothek. Hier werden sie derzeit in der Musiksammlung archiviert, Österreichs größtem Musikarchiv.



Unter den Manuskripten befindet sich beispielsweise das von Topsy Küppers interpretierte und von Kreisler komponierte „Der Herr ist mir fremd“ oder das populäre Lied „Sie ist ein herrliches Weib“. Kreisler übt in den erworbenen Manuskripten scharfe Gesellschaftskritik, spricht aber auch in sehr einfühlsamen Bildern zwischenmenschliche Probleme an. Bedeutsam sind diese Handschriften nicht nur wegen der von Wortwitz und sprachlicher Eleganz gekennzeichneten Texte, sondern auch wegen des Einblicks in die Kompositionswerkstatt Kreislers, der in den Musikmanuskripten eine praxisbestimmte Mischung aus genauer Notation und Tonartkürzeln anwandte.



Daß Topsy Küppers sie nach Wien gab, finden wir richtig, warum sie sie überhaupt hat, ist uns nicht ganz einsichtig. Denn die beiden sind nicht in aller Freundschaft auseinandergegangen, d.h. Georg Kreisler war entsetzt und enttäuscht, daß sie sich als Schöpferin von LOLA BLAU ausgab, seiner hinreißenden und sehr oft gespielten komödiantischen Tragödie von einer jungen jüdischen Sängerin. Kreisler mußte gegen seine Ex-Frau erst einen lange währenden Prozeß führen, ehe auch offiziell feststand, daß er Dichter und Komponist war.



Georg Kreisler wurde 1922 in Wien geboren. Während des Nationalsozialismus musste er aufgrund seiner jüdischen Herkunft in die USA emigrieren, wo er versuchte, im Filmgeschäft Fuß zu fassen und eine musikalische Ansprechfigur für Charlie Chaplin wurde, der ihn bewunderte. Kreisler den Chaplin auch. 1942 berief ihn die amerikanische Armee ein und er zog mit einer Truppe von Armeelager zu Armeelager, um ein von ihm geschriebenes Soldaten-Musical aufzuführen.



1955 kehrte er nach Wien zurück und gehörte bald zu den bekanntesten Kabarettisten und Chansoniers der Nachkriegszeit, wobei sein Schaffen in Österreich ebenso bewundert wie abgelehnt wurde. Legendär die Zeilen „Wie schön wäre Wien ohne Wiener! So schön wie a schlafende Frau. Der Stadtpark wär sicher viel grüner, und die Donau wär endlich so blau. (…) Und wer durch dies’ Paradies muß, findet später als Legat statt des Antisemitismus nur ein Antiquariat.“ Nach Stationen in München mit Topsy Küppers, Berlin und Basel mit seiner späteren vierten Frau Barbara Peters, mit der er ebenfalls auftrat, verbrachte der streitbare Künstler sein restliches Leben ab 2007 in Salzburg.

Vergleiche Artikel im Weltexpresso:

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/musik/322-qwie-schoen-waere-wien-ohne-wienerq

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/musik/321-der-tod-das-war-ein-salzburger





 

http://www.georgkreisler.de/