Drei Kurzopern des Komponisten Ernst Krenek (1900 - 1991) in der Frankfurter Oper

Hanswerner Kruse

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - „Wie schön die Welt ist / Ruhig liegt der See im Abendschein“, singt die Frau im Rehpullover, aber dann überstürzen sich die Ereignisse: Eine Rächerin will den blutrünstigen Diktator ermorden, aber sie verfällt seiner erotischen Aura und wird von der eifersüchtigen Ehefrau erschossen.

Diesem tragischen Singspiel „Der Diktator“ folgt eine burleske Operette auf einer Varietébühne als Stück im Stück: Die Frau eines weltberühmten Boxers vergnügt sich unter dessen Augen mit ihrem Tanzlehrer. Der Tyrann aus dem Publikum wird auf die Rampe gelockt und zuletzt in eine eigenartige Apparatur gespannt, die ihn ordentlich durchschüttelt („Schwergewicht oder Die Ehre der Nation).

Das dritte Stück, „Das geheime Königreich“, ist eine Märchenoper. Der Diktator schleicht deprimiert in Katakomben herum und singt: „Ich bin’s nicht wert König zu sein.“ Verzweifelt kreischt die schrille Königsfrau ihn an, sich zusammenzunehmen. Alsbald verliebt sie sich in einen frisch gefangenen Revoluzzer, doch der will keinen Sex mit ihr sondern nur die Krone. Am Ende hockt der einstige Tyrann im Wald, erfreut sich an Blumen und trällert: „Ich habe mein wahres Königreich gefunden / und werde es nie mehr verlassen.“

Diese surrealen bis makabren Kurzopern wurden vor gut 90 Jahren in Wiesbaden uraufgeführt und kamen damals auch bald nach Frankfurt. Komponist Krenek ist heute kaum noch bekannt, obwohl er mit neoromantischen Klängen, Unterhaltungs-, Zwölfton-, Serieller- und Elektronischer-Musik, alle Stile des 20. Jahrhunderts erkundete und mitentwickelte.

Seine frühen Singspiele spiegeln diese musikalische Vielfalt wieder - ohne sich anzubiedern oder die Zuschauer zu überfordern. Es sind Zeitopern, die sich mit den klassischen Opernthemen bewusst auf politische Entwicklungen bezogen. Im lüsternen Tyrann des ersten Stücks ist unschwer der Mussolini zu erkennen. Aber die aktuelle Inszenierung ist durch ihre fantastische Staffage bewusst zeitlos gehalten. Mit den Themen Macht, Begierde und Eifersucht ist sie allerdings hochaktuell. Glücklicherweise traut Regisseur David Hermann seinem Publikum den Transfer zu und quält es nicht mit überdeutlichen Anspielungen.

Obwohl die bizarren Singspiele in sich abgeschlossen sind, inszeniert Hermann sie zusammenhängend. Der Diktator (Davide Damiani) taucht immer wieder auf, ein Narr (Sebastian Geyer) führt entspannt durch das Triptychon. Singend entlässt er das Publikum, ähnlich wie der Puck in Shakespeares „Sommernachtstraum“: „Nehmt es nicht mehr als es ist - ein Märchenspiel zum Nachdenken.“

Die Zeiten, in der singende Akteure auf der Bühne herumstanden, sind seit Jahrzehnten vorbei, natürlich bringt der Regisseur sein Ensemble überzeugend ins theatralische Spiel. Bei einer Weltbühne wie der Frankfurter Oper ist es nicht nötig, das singende Personal zu bewerten. Erstaunlich ist jedoch der stimmlich sich - entsprechend seinen Stimmungen - sehr differenziert darbietende Tenor Damiani. Hinreißend im letzten Stück ist sein krasses Weib (Ambur Braid) mit ihrem leicht überdrehten Koloratursopran.

Ein großartiger Abend, der wohl auch Opern-Neulinge vorzüglich unterhalten und doch, wie gewünscht, ins Nachdenken bringen kann.



Foto: Die Varietébühne auf der Opernbühne (v.l.n.r.) Der Diktator (Davide Damiani) wird durchgeschüttelt, Evelyne, die Frau des Boxers (Barbara Zechmeister), Tanzlehrer Gaston (Michael Porter), Boxer Adam Ochsenschwanz (Simon Bailey) © Barbara Aumüller, Oper Frankfurt


Info: Aufführungen in dieser Spielzeit nur noch am 7., 12., 14., 18., und 21. Mai