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Kategorie: Unterwegs
hwk fischeDie Siam-Reise (3): Im Norden

Hannah Wölfel & Hanswerner Kruse

Siam (Weltexpresso) - Gewittergrollen. Im Garten des Lamphuhouses prasseln im strömenden Regen Kokosnüsse herunter. Hannah ist klitschnass, weil sie beim französischen Bäcker noch Baguettes für die Reise gekauft hat. Das Taxi schafft es gerade bis zur Abfahrt des Mittagzugs nach Chiang Mai. Doch bis der Zug die Vororte Bangkoks verlässt, fährt er im Schritttempo und hält ständig an. „Khaaa! Khaaa!“ brüllen die andauernd zu- oder aussteigenden Händler, welche gebratenen Fisch, Tütensuppen, Säfte oder Pad Thai verkaufen wollen. Das „Khaaa! Khaaa!“ begleitet uns auch in den nächsten Stunden, selbst als der Zug schneller wird und weniger hält: mittlerweile schreien selbst die hwk siam1Babys „Khaaa! Khaaa!“

Als es gegen achtzehn Uhr dunkel wird, versuchen einige Händler heimlich Bier zu verkaufen, mehr als umgerechnet 10 Euro wollen sie für die Dose Chang. Denn das Trinken von Alkohol oder Rauchen in der Öffentlichkeit ist überall verboten.

Währenddessen bauen Uniformierte die Sitze in erstaunlich gemütliche Betten um. Während im Schlafwagen fast unangenehm Kühle herrscht, ist es in den übrigen Waggons saunauheiß, deshalb sind die Türen des rasenden Zugs durchgehend geöffnet. Gefährlich rauscht die dunkle Landschaft an einem vorbei, wenn man mal in der Eisenbahn spazieren geht. Morgens um 5 Uhr, mit erheblicher Verspätung, kommen wir in Chiang Mai nach 15 Stunden an und schlafen einige Stunden in einem Hotel, drei Minuten vom Bahnhof entfernt. Mittags wechseln wir ins Lamphuhouse, das es auch hier gibt und schlafen weiter.

Spätnachmittags beginnt der Sonntagsmarkt in der gesamten Innenstadt, zehntausende von Einheimischen und Touristen drängeln sich zwischen den Ständen. Es gibt alles, was es sowieso überall gibt, gefälschte Markenklamotten, Thai-Essen, Elefanten aus allen nur denkbaren Werkstoffen, Gemälde, die im „Lonely Planet“ als kunstvoll beschrieben werden, Schmuck - und erstaunlicherweise viel Kreatives: Etliche Familien arbeiten die ganze Woche über, um von ihren Einnahmen auf dem Sonntagsmarkt zu leben. In dem Gewusel wieder viele blinde Sängerinnen und Sänger, die oft recht Anmutiges zu Gehör bringen oder den Blues auf seltsamen Instrumenten spielen. Und auch die Blind Scary Boys, so nennen wir sie, sind wieder da, die wir schon vor vier Jahren, bei unserem ersten Besuch in Chiang Mai, staunend bewundert haben. Wie die Ruderer sitzen sie eng hintereinander, bearbeiten fröhlich ihre Instrumente und singen inmitten des um sie herum strömenden Chaos.

hwk teppichDie etwas kommerziellere Form dieser kulturellen Melange erleben wir am nächsten Abend beim täglichen Nachtmarkt im Westen der Altstadt. Hier findet man seltener Kreatives oder Originelles, doch Hannah - klar, wer sonst? - ergattert immerhin Fischschuhe aus Plastik. Wir haben dann genug von den Märkten, obwohl es immer wieder schön ist, sich darin treiben zu lassen und die unermüdlichen Thais zu erleben: „...May their hands always be busy / May their feet always be swift / May they stay forever young...“ (glauben wir, frei nach Dylan).

Nach den wuseligen Tagen verbringen wir viel Zeit in den ruhigen, kühlen Museen. Im City Arts & Cultural Centre (CACC) machen wir uns mit der Geschichte Chiang Mais, dem Handwerk und Handel vergangener Jahrhunderte vertraut: Anders als im BACC (in Bangkok mit seiner zeitgenössischen Kunst) wird hier die Verbindung zur Gegenwart gesucht: „Traditionen und Rituale helfen, sich an das Leben in der neuen Epoche anzupassen“, heißt es (in Englisch) auf einer Tafel. In einem großen Ausstellungsraum gibt es immerhin zeitgenössische Kunst, die genau das versucht. Faszinierend sind die Miniaturmodelle aller möglichen Lebenssituationen oder die lebensgroßen Kammern mit Alltags- und Arbeitsszenen. Im benachbarten Lanna Folklife Museum vollziehen wir die Geschichte des buddhistischen Kunsthandwerks nach: Lackarbeiten, Keramik, Skulpturen, Hinterglasmalerei, Weberei - besonders interessant wirkt auf uns die Mural Art, die Malerei auf Mauern.

Bald findet das „Yee Peng Festival“, das dreitägige Lichterfest in Chiang Mai statt. Überall hängen bereits zahlreiche vielversprechende Installationen aus bunten Laternen und schönen Lampions...

Fotos:
Im Text erwähnte Reiseeindrücke in Chiang Mai © Hanswerner Kruse