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Kategorie: Unterwegs

Getrübte Urlaubsparadiese auf der ITB. Nachklapp zur großen Torurismusmesse in Berlin


Notker Blechner

Berlin (Weltexpresso) -  Von wegen Gute-Laune-Branche! Auf der diesjährigen ITB in Berlin herrschte angespannte Stimmung. Trump und die Türkei-Krise überschatteten die Reisemesse.


Selbst an den Publikumstagen am Wochenende war es in der Türkei-Halle 3.2. erschreckend leer. Zeitweise hätte man hier Fußball spielen können, sagte ein frustrierter Aussteller. Das Interesse der Besucher sei so gering gewesen wie seit 15 Jahren nicht mehr.



Türkei blamiert sich

Da konnte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu bei seinem Blitzbesuch auf der ITB noch so sehr betonen, dass die Türkei "so sicher wie Deutschland" sei. Und auch die Aussagen des Tourismusministers Nabi Avci zur Sicherheit im Erdogan-Reich blieben sehr vage. Um nicht zu sagen beschönigend. Auf die Frage eines TV-Journalisten, ob der Minister denn garantieren könne, dass er als Medienvertreter bei einer Reise in die Türkei nicht gleich verhaftet werde, antwortete Avci: "Dafür kann ich genauso garantieren wie Deutschland dafür garantieren kann, dass Sie hier nicht verhaftet werden!"

Die Türkei habe Maßnahmen gegen die Tourismus-Flaute ergriffen, kündigte Avci an. Welche Maßnahmen er meinte, ließ der Minister offen. Die Branche wisse sehr wohl, um welche Förderungsmaßnahmen es gehe, antwortete er sichtlich genervt auf Nachfrage eines Journalisten. Offenbar meinte Avci weitere Treibstoff-Subventionen für die gebeutelten Charterflieger.

Fast schon peinlich wurde es, als Minister Avci Bundeskanzlerin Angela Merkel als vorbildliches Beispiel für den Türkei-Urlaub nannte. Sie habe das Land neulich ja auch besucht, sagte er.



Buchungszahlen um 60 Prozent tiefer

Das Land am Bosporus steckt in einer schweren Krise. Nach dem gescheiterten Putsch und der Säuberungswelle durch Präsident Erdogan meiden die Deutschen die Türkei als Urlaubsziel. Reisten vor zwei Jahren noch 5,6 Millionen Bundesbürger dorthin, waren es 2016 nur noch rund vier Millionen. 2017 könnte es noch schlimmer kommen. Aktuell liegen laut der GfK die Buchungszahlen für den Sommerurlaub um 60 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Manche Politiker aus dem Lager der Linken fordern sogar einen Tourismus-Boykott in die Türkei.

Die türkischen Reiseveranstalter und Tourismusvertreter bemühten sich, ihr Land ins beste Licht zu rücken. Fast den ganzen Tag lang trällerten Bands türkische Popmusik, an den Ständen wurde süßes Gebäck, Tee und Kaffee gereicht. Auf den Bechern war zu lesen: "Türkei - immer wieder schön!".

Pustekuchen! Die ITB-Besucher mieden die Türkei-Halle. Oder nutzten die Messe für Proteste wegen des im Gefängnis sitzenden Journalisten Deniz Yücel. Am Sonntagmittag zogen sich gut ein Dutzend Demonstranten bis aufs T-Shirt aus, auf dem zu lesen war: "#Free Deniz! Wir wollen das Meer sehen!" Sicherheitsleute und Polizisten eilten herbei und drängten die Protestierer aus der Halle.



Noch kein negativer "Trump-Effekt" im USA-Tourismus

Etwas entspannter war die Stimmung an den amerikanischen Ständen. Die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten habe bisher zu keinem Rückgang der Touristenzahlen geführt, betonten sie unisono. Es sei noch zu früh, um die Auswirkungen auf dem Fremdenverkehr einzuschätzen, hieß es bei Texas Tourism. Tatsächlich gebe es vereinzelt Kunden, die wegen Trump verunsichert seien und bei den Reiseveranstaltern nachfragen, gab die Vertreterin eines Nordamerika-Reiseveranstalters zu.

Die Stadt New York jedenfalls hat auf die veränderte politische Situation reagiert – und startet in diesem Jahr eine Kampagne mit dem Slogan "Welcoming the World". New York will sich mehr denn je als multiethnischer Schmelztiegel darstellen, um Touristen anzulocken.



Des einen Leid, des anderen Freud

Von der politischen Unsicherheit und der Terrorgefahr in mehreren Urlaubsregionen der Welt profitieren "sichere" Destinationen wie Kanada, Spanien, Griechenland und Bulgarien. Dort herrschte teils ausgelassene Stimmung auf der ITB.

Spanien berichtete von zweistelligen Zuwächsen auf den Balearen und den Kanaren. Allerdings bezweifeln manche Reiseveranstalter den "Mallorca-Boom". "Wir zählen zu den wenigen Veranstaltern, die auf Mallorca ein Wachstum hatten", sagte Gerald Kassner, Chef von Schauinsland-Reisen, am Rande der ITB.



Deutsche geben so viel Geld für Urlaub aus wie nie

Wie auch immer: Trotz Terror und Unsicherheit war die Reiselust der Deutschen 2016 ungebrochen. Mit 88 Milliarden Euro gaben sie so viel Geld für Urlaub aus wie noch nie, hat die Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen herausgefunden. Auch 2017 dürften die Reiseausgaben ähnlich hoch sein. 69 Prozent der Deutschen wollen in diesem Jahr sicher oder wahrscheinlich verreisen. Das ist ein fast so großer Anteil wie 2016.

Favorit unter den Urlaubszielen bleibt Spanien. Beliebt sind auch Griechenland, Bulgarien, Kroatien und Zypern. Bei den Fernreisen stehen Kuba, die Dominikanische Republik und Südafrika ganz vorn auf der Wunschliste.



Buchungen nach Ägypten ziehen an

Selbst Ägypten steht vor einem Comeback. Die Buchungszahlen hätten wieder kräftig angezogen, berichteten die Tourismusvertreter und Reiseveranstalter auf der ITB. Allerdings sorgte die geplante Erhöhung der Visagebühren von 25 auf 60 Dollar für Unmut. Auf der Messe appellierten mehrere Branchenvertreter an den ägyptischen Tourismusminister, die Gebühren zu senken. Ein bisschen scheint er eingelenkt zu haben: Die Gebühr wird jetzt nicht ab März, sondern erst ab Juli angehoben.

Manchmal schaden sich die Urlaubsregionen auch selbst. Das beste Beispiel ist Sri Lanka: Die nationale Fluggesellschaft Sri Lankan Airlines hat wegen der harten Preiskonkurrenz der Golf-Airlines inzwischen Direktflüge von Frankfurt in die Hauptstadt Sri Lankas, Colombo, eingestellt. Künftig müssen die Reisenden einen Zwischenstopp in den Emiraten einlegen. Zudem wurde der Flughafen Colombos für drei Monate tagsüber geschlossen und ist nur noch abends oder nachts anfliegbar. Die Folge: Die Zahl deutscher Touristen, die nach Sri Lanka reisen um dem deutschen Winter zu entfliehen, ist seit Jahresbeginn eingebrochen.

Da konnten die Tourismus-Vertreter und Reiseveranstalter Sri Lankas noch so gute Stimmung verbreiten. Erstmals seit langem organisierte das Land wieder eine große Party in einem Berliner Top-Hotel.

 

Foto: Dramatische leere Strände in der Türkei. Allerorten. Aber wieso sollten derzeit Fremde, erst recht Deutsche in die Türkei reisen. (c) mittelbayerische.de

Info:
ITB
http://www.itb-berlin.de/