kpm Dritte MissionThird Mission und Scale-ups sind das Ende unabhängiger Wissenschaft

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – In seinem Beitrag vom 9. Februar bezeichnet sie Hubertus von Bramnitz als „Erfolgsfaktoren dynamischer Unternehmen“.

Diese Bewertung sollte nicht unwidersprochen bleiben. Denn es geht um die Privatisierung von Forschungsergebnissen öffentlicher Hochschulen zu Gunsten der Wirtschaft. Solche werden unter dem verharmlosenden Schlagworten „Third-Mission“ von den beteiligten Großunternehmen und deren Lobbyisten geschickt in die Diskussionen um den „Wissenschaftsstandort Deutschland“ eingeschleust. Dadurch sollen Bedenken gegen solche neoliberalen Trends in der Wissenschaft zu Lasten der Allgemeinheit zerstreut werden. Im Prinzip handelt es sich um die Vernetzung von aus öffentlichen Mitteln finanzierter Forschung und Lehre mit den Begehrlichkeiten außerakademischer, in der Regel gewerblicher Partner. Bei den erwähnten „Scale-ups“ geht es konkret um die Übertragung von Ergebnissen, die in der universitären Forschung gewonnen werden, auf industrielle Verfahrenstechniken.

Wer darüber seriös berichten will, kommt an Gegenrecherchen nicht vorbei. Doch solche sind in dem Artikel nicht zu erkennen. Ja, es werden sogar die Projekt-Partner „Yi Shi Foundation“ (Singapur) und die Start-up-Lobbyisten „TechQuartiers“ ohne jegliche Distanzierung ausführlich erwähnt. Bezeichnenderweise stellen sich diese vorrangig auf FACEBOOK vor. Das passt zusammen. Die einen saugen Steuergelder ab, während sich der Datenkrake an der Privatsphäre naiver Bürger gesund stößt.

Zuständig für „Third Mission“ ist bei der Goethe-Universität deren Vizepräsident Prof. Manfred Schubert-Zsilavecz, der den Arbeitsbereich „Medizinische Chemie“ leitet. Er war einige Jahre auch Präsident der Pharmazeutischen Gesellschaft.

Die Universität rühmt sich sogar ihrer „Dritten Mission“ und verklärt sie als „Wissenschaft mit und für die Gesellschaft“. Dabei legt sie den Gesellschaftsbegriff etwas sehr eng aus – nämlich als Interessensvereinigung diverser Kapitalgesellschaften. Legitimiert sieht sie sich durch ihre Geschichte, denn 1914, im ersten Jahr des Weltkriegs, sei sie als Stiftungsuniversität von den Frankfurter Bürgern ins Leben gerufen worden. Diese Liaison fand nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ihr Ende. Erst 2008 wurde die Rückumwandlung zur Stiftungsuniversität durchgeführt. In ihrem aus dem Jahr 2014 stammenden neuen Leitbild wird die Tatsache, dass man mit einem Bein in öffentlichen Geldtöpfen steckt und mit dem anderen in diversen der Privatwirtschaft, mit wohlklingenden Begriffen wie „kooperative Vorhaben mit Partnern“ verschleiert.

Ansonsten macht man kein Hehl daraus, dass „die Goethe-Universität in ein Umfeld eingebettet [ist], das für gesellschaftliche Kooperationen ideale Voraussetzungen bietet: Sie liegt in einer der wirtschaftlich erfolgreichsten Regionen Europas...“.

Und dann fällt – auf der Internetseite der Hochschule – jede Distanz: „Die Goethe-Universität und ihre Wissenschaftler betreiben Third-Mission-Aktivitäten in größter Vielfalt. Es handelt sich um Engagement, das aus Forschung und Lehre schöpft und diese beiden Missionen im Rahmen der wissenschaftsexternen Vernetzung seinerseits befruchtet, sich also komplementär und synergetisch zu Forschung und Lehre verhält. Es erfolgt gemeinsam mit konkreten Praxispartnern oder richtet sich an die Öffentlichkeit als Zielgruppe. Oft greift es gesellschaftliche, technologische und politische Fragestellungen auf, um diese in disziplinärer Vielfalt und kooperativ Lösungen zuzuführen. Die Universität setzt hierbei Agenden im Namen von Unabhängigkeit und Freiheit und greift Ideen, Wissen und Problembewusstsein auf. Als Stiftungsuniversität generiert sie auch private Fonds, die zukunftsorientierten Themen der Wissenschaft besonders flexibel zugeführt werden können.“

Muss eine Zeitschrift wie „Weltexpresso“ eigentlich in dasselbe Horn stoßen? Sollte sie nicht als Vertreterin einer unabhängigen Publizistik an der Seite der Beherrschten stehen und nicht die Herrscher (in Wirtschaft und Politik) unterstützen?

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Grafik: Third Mission neben Lehre und Forschung
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