kpm Hassbriefe des H. J. Schafer c BenderAmtsgericht Limburg a. d. Lahn verurteilt Verfasser anonymer Hassbriefe

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Dieser Mann schien sich im Krieg zu befinden und manches deutet darauf hin, dass er längst noch nicht kapituliert hat. Als Waffen setzte er Schmähbriefe ein, die er anonym (!) gegen engagierte Demokraten richtete. Zu den bevorzugten Adressaten zählten Ralf und Reiner Bender, die im April 2013 Nazi-Symbole von Verkehrsschildern im Umfeld eines Limburger Schulzentrums entfernt hatten (nachdem die Behörden drei Wochen tatenlos geblieben waren) und vom Magistrat erfolgreich auf Schadensersatz verklagt wurden. Am 5. Juli 2017 stand dieser Horst Jürgen Schäfer wegen Beleidigung in mehreren Fällen in Limburg vor Gericht.

Ralf und Reiner Bender, die als Zuhörer dem Prozess beiwohnten, haben über die Verhandlung ein persönliches Protokoll angefertigt:

„In der Anklageverlesung zählte der Amtsanwalt die aus Sicht der Staatsanwaltschaft Limburg relevanten Verunglimpfungen auf, die der Angeklagte in anonymen Briefen bzw. auf Postkarten an die IG Metall Herborn, den SPD-Kreistagsabgeordneten des Lahn-Dill-Kreises, David Rauber, und an uns (Reiner und Ralf Bender) gerichtet hatte und die laut Staatsanwaltschaft den Straftatbestand der Beleidigung erfüllten. Der Amtsanwalt ging dabei auf die einzelnen Fälle ein und erläuterte jeweils deren strafrechtliche Relevanz. Der Anklage zufolge seien die Äußerungen von Horst Jürgen Schäfer als unangemessene Schmähkritik zu bewerten und erfüllten den Straftatbestand der Beleidigung. Diese Diffamierungen von Personen gingen über die in der Verfassung verbriefte Meinungsfreiheit deutlich hinaus.

In der dann folgenden Befragung des Angeklagten durch die Richterin und an-schließend durch den Amtsanwalt legte das Gericht besonderen Wert darauf, vom Angeklagten die Ziele zu erfahren, die er mit seinen Hassbriefen verfolgte. Der Angeklagte bestätigte, dass er der Verfasser der ihm zur Last gelegten anonymen schriftlichen Beleidigungen sei, er jedoch diese Aussagen, bis auf eine oder zwei »Zuspitzungen« oder auch »Polemiken«, alle durch die grundgesetzlich zugesicherte Meinungsfreiheit gedeckt sähe.

Im Zusammenhang mit einer Frage der Richterin Bettina Kilian wandte sich der Angeklagte dem Zuschauerraum zu, zeigte mit der Hand auf uns (Reiner und Ralf Bender) und sagte deutlich hörbar: »Die sind es doch, die mit ihrem Handeln Herrenmenschen-Verhalten zeigen.« Die Richterin rief ihn deswegen nicht zur Ordnung. Auch weitere beleidigende Äußerungen des Horst Jürgen Schäfer gegen im Gericht Anwesende und Nichtanwesende wurden sowohl von der Richterin als auch vom Amtsanwalt nicht kommentiert und damit faktisch zugelassen.

Als aber der Zuhörer Ralf Bender seiner Erschütterung über diese öffentliche Be­schimpfung sowohl seines Bruders als auch der eigenen Person sehr leise seinem Nachbarn gegenüber mit der Bemerkung »ungeheuerlich« Ausdruck verlieh, wandte sich Richterin Kilian mit harschen Worten an Ralf Bender: Sie würde ihn kennen und drohte für den Fall der Wiederholung mit einem Ordnungsgeld.

Während des Plädoyers des Amtsanwalts zeigte sich letzterer mehrfach einver­standen mit der politischen Einschätzung des Angeklagten betreffend der Partei AfD, die in den Droh- und Schmähbriefen des Horst Jürgen Schäfer regelmäßig als vorbildlich bezeichnet wurde. Diese Partei, so der Amtsanwalt und Schäfer übereinstimmend, sei mitnichten rechts oder gar rechtsextrem, sondern rechts-konservativ. Und im Übrigen, so der Amtsanwalt weiter, pflege der Angeklagte im Vergleich mit früheren Verunglimpfungen (die Gegenstände weiterer Verfahren waren bzw. sind) mittlerweile einen weniger verletzenden Tonfall beim Verfassen seiner Briefe und Postkarten. Dies gelte aber nicht für die zur Anklage gebrachten Beleidigungen. Während der Amtsanwalt dem Angeklagten einerseits dringend empfahl, sich bei einem „Diskurs“ mit Andersdenkenden an die gesetzlichen Regeln zu halten, erwähnte er andererseits nicht explizit, dass Schäfer seine sämtlichen Pamphlete anonym versandt hatte und die Polizei ihn erst als Urheber ermitteln musste.“

Diese Äußerungen eines Justizvertreters lösten nicht nur bei den Brüdern Bender Erstaunen und Missfallen aus. Mindestens ein weiterer Zuhörer, der mit den Vorgängen vertraut war, zeigte sich nach der Verhandlung erschüttert. Schließlich hatte Horst Jürgen Schäfer im November 2016 gegen eine Ausstellung polemisiert, die sich mit der Terrororganisation „Nationalsozialistischer Untergrund NSU“ beschäftigte. Schäfer schrieb damals:

„NSU - Der große Schmuh!! Hetzlügen Ausstellung in Wetzlar. Es gibt bis heute - wie schon bei Mölln 1992 und Solingen 1993 - keinen einzigen echten Tatbeweis!!! Wer nun diese schamlose, moralisch gesehen asozial-kriminelle Hetzlügen-Veranstaltung unterstützt, macht sich persönlich schuldig, würde auch mit juristischen Konsequenzen zu rechnen haben (wie die Nazi-Täter 1945) in einem Staat, wo mental gesunde und korrekte Verhältnisse herrschen. Diese ehrlosen Rotgrünrot-Aktivisten sollen wissen, dass ihnen das bei einem nicht unwahrscheinlichen, bitter nötigen Regimewechsel hin zur Rettung von Volk, Demokratie, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit gemäß den Werten von GG 1949 und FdGO passieren wird.“

Die Alternative zu den „ehrlosen Rotgrünrot-Aktivisten“ sah Schäfer im Oktober 2016 in PEGIDA: „PEGIDA = PRIMA!“ findet sich in einem seiner anonymen Briefe. Und auch der Hinweis „Anständige Menschen wählen NUR AfD!“. Vier Wochen zuvor, im September 2016, hatte er festgestellt: „Der moderne Nazi ist nicht braun, sondern bunt und sein Holocaust ist der Mord am eigenen Volk.“

„Die Auffassung von Oberamtsanwalt Bernd Stahl, der Angeklagte hätte sich positiv weiterentwickelt, stand“ - wie es im Protokoll der Benders weiter heißt - „im krassen Gegensatz zur Einschätzung von Richterin Bettina Kilian, die Horst Jürgen Schäfer keinerlei Reue und Einsicht attestierte, sondern ihn in der mündlichen Urteilsbegründung als einen unbelehrbaren „Schreibtischtäter“ bezeichnete. Sie wies zudem darauf hin, dass Geldstrafen bei Wiederholungstätern nur begrenzt verhängt werden könnten und warnte den Angeklagten, dass eine Fortsetzung seiner Aktionen künftig Freiheitsstrafen nach sich ziehen könnten. Schließlich hätten sich die von ihm attackierten Personen Sorgen um ihre persönliche Sicherheit machen müssen. Der Angeklagte wurde zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen á 70 Euro verurteilt.“

Foto: Hassbriefe des H. J. Schäfer© Bender