kpm Google Apps c GoogleEine Bildungsanstalt für künftige Konsumsklaven?

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Deutschland habe bei der Digitalisierung großen Nachholbedarf, äußerte unlängst Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Was sie damit konkret meinte, ließ sie offen. Doch sie lieferte mit ihren Schlagworten all jenen eine Steilvorlage, welche die vermeintlich zögerliche Entwicklung in die ihnen genehme Richtung steuern wollen. Einer, der bereits vielen Sparten dieser Informationsverarbeitung seinen sehr eigennützigen Stempel aufdrückte, hat diversen Appellen der Politik nun kommerziell orientierte Taten folgen lassen. Google eröffnete am 17. Juli in München die erste seiner deutschen Zukunftswerkstätten.

Der Internetgigant versteht darunter ein digitales Schulungszentrumbreit im Rahmen einer breit angelegten, bundesweiten Bildungsinitiative für Wirtschaft, gemeinnützige Organisationen, Universitäten und Schulen. Weitere Zentren sind in Hamburg und Berlin geplant. Bis zum Jahr 2020 sollen zwei Millionen Menschen erreicht werde. Als Partner holte Google sich die Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern, das zu einem erheblichen Teil aus öffentlichen Mitteln finanzierte Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS, die zwischen Kultur und Kommerz schwankende Stiftung Lesen sowie die formal gemeinnützige Calliope GmbH, an der Firmen wie SAP, Bosch, der Cornelsen Verlag, Microsoft und Google selbst beteiligt sind. Mit dabei ist auch Prof. Gesche Joost, die Internetbotschafterin der Bundesregierung.

Die Angebote für berufliche Nutzung umfassen Online-Marketing und Online-Kommunikation, Web-Analyse und Web-Design, ebenso Online-Fundraising für gemeinnützige Organisationen und das „Google News Lab“ für Journalisten.

Die Schwerpunkte für den schulischen Bereich sind Programmierkurse für Lehrer und Schüler auf der Basis von „Calliope mini“ und „Open Roberto Lab“ (Fraunhofer IAIS) sowie „Google Expeditions“, einer Virtual-Reality-Brille, mit deren Hilfe virtuelle Klassenfahrten möglich sind.

Das klingt zunächst sinnvoll. Aber warum soll das Erlernen digitaler Prozesse nur noch mit der Unterstützung eines auf wirtschaftlichen Erfolg ausgerichteten Unternehmens möglich sein, das zudem Marktführer in dieser Sparte ist? Sind die Schulen der Nation nicht weiterhin die allgemeinbildenden Schulen, die Fachschulen und die Universitäten, die von der Allgemeinheit finanziert werden und zur Unabhängigkeit verpflichtet sind? Die nicht auszuschließende Gefahr einer Abhängigkeit von Sponsoren steht im Widerspruch zur notwendigen Freiheit von Lehre und Forschung in demokratischen Gesellschaften. Googles Engagement wird sehr viel Geld kosten. Ein Unternehmen investiert jedoch nur dann, wenn es sich berechtigte Aussichten auf wirtschaftliche Erfolge, sprich Renditen, machen kann.

Wer beispielsweise die Google Suchmaschine nutzt, weiß, dass dieser vermeintlich kostenlose Service mit der Preisgabe persönlicher Daten bezahlt werden muss. Ähnliches gilt für Smartphones mit dem Android-Betriebssystem. Und es gibt noch eine weitere Negativseite. Kommerzielle Suchmaschinen und kommerzielle Netzwerke (z.B. Facebook und Whatsapp) werten die gesuchten Begriffe aus. Auf diese Weise entsteht ein Weltbild, das für die Welt keinesfalls repräsentativ ist. Denn zu wesentlichen Teilen spiegelt es das Nichtwissen der Menschen sowie deren vermeintliche Unterhaltungsinteressen. Es wird das abgebildet, was die Schulen (weil geeignete Lehrer, sanierte Schulgebäude und überhaupt Geld fehlen) nicht vermitteln konnten und was im bedenklichen Sinn des Worts populär ist. Hingegen kommt das notwendige breite Wissen nicht zur Sprache. Ebenso werden via Google keine Anleitungen zur kritischen Reflektion gesellschaftlicher und politischer Prozesse vermittelt.

Ohnehin besitzt auch die Digitalisierung mindestens zwei Seiten: Zum einen geht es um die Konvertierung von Informationen in elektronische Prozesse sowie deren Speicherung, Auswertung und Anwendung. Zum anderen um den praktischen Umgang mit digitalisierten Informationen. Zu letzterem gehört notwendigerweise die Abwehr jeglicher Ausspähung. Würde Google aufrichtig sein, müsste das Unternehmen diesen Leitsatz über seinen Zukunftswerkstätten platzieren:
Digitalisierung ja, aber nicht mit Hilfe von Google, Facebook oder Whatsapp.


Foto: Google-Apps © Google