kpm Schafer Pamphlet Titel 28.07.17.wpoIn Frankfurt verteilt ein Sympathisant des NSU Hassbriefe

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - „Kein Mensch mit Anstand, Verstand und Gewissen verbreitet diese Lügen und mästet sich politisch daran!“

So lautet die handschriftliche Randbemerkung auf einem rechtsradikalen Flugblatt, das die Gewalttaten von Solingen (1993), Mölln (1992) und die Morde des so genannten NSU für nicht bewiesen erklärt. Diese Gewaltverherrlichungen werden als „Samisdat Enthüllungen“ ausgegeben. Damit nehmen die anonymen Verfasser den Namen des oppositionellen Untergrundschrifttums in der ehemaligen Sowjet Union für sich in Anspruch.

Tatsächlich deutet dieses Pamphlet jedoch auf eine völlig andere politische Richtung hin. Nämlich auf den Samisdat-Verlag des deutsch-kanadischen Holocaustleugners Ernst Zündel. Im Februar 2005 wurde dieser an die deutsche Justiz ausgeliefert. Die Staatsanwaltschaft Mannheim erhob Anklage wegen systematischer Leugnung des nationalsozialistischen Völkermords an den Juden durch die Verbreitung von Schriften sowie entsprechender antisemitischer Hetze im Internet in mindestens 14 Fällen.

Der erste Prozesstag vor dem Landgericht Mannheim am 8. November 2005 endete mit einem Eklat. Der Pflichtverteidigerin Sylvia Stolz verlor ihr Mandat, da sie sich in ihrer Verteidigungsschrift selbst der Volksverhetzung schuldig gemacht hatte. Auch der als Assistent der Pflichtverteidigung benannte Horst Mahler, ein verurteilter Rechtsextremist, wurde vom Verfahren ausgeschlossen, da gegen ihn ein Berufsverbot als Anwalt bestand und eine Mitwirkung am Prozess deswegen strafbar war.

Der Prozess wurde im Februar 2006 fortgesetzt. Zündel ließ sich nunmehr von den wegen Volksverhetzung verurteilten Anwälten Jürgen Rieger und Ludwig Bock verteidigen, ebenso von Rechtsanwalt Herbert Schaller, der später, im Dezember 2006, an der Holocaustleugnungskonferenz im Iran teilnahm. Die Anwältin Sylvia Stolz trat erneut als zusätzliche Verteidigerin auf. Wegen Erklärungen mit strafbarem nationalsozialistischem Inhalt erfolgte erneut ein Ausschluss. Zündel wurde wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener zu fünf Jahren Haft verurteilt. Im März 2010 wurde er aus der Haft entlassen. Seither tritt er jedoch wieder auf rechtsextremen Veranstaltungen auf.

Die Samisdat-Flugschrift wurde (nicht zum ersten Mal) von dem in Frankfurt wohnenden Horst Jürgen Schäfer verteilt. Gegen Schäfer verhängte das Amtsgericht Limburg an der Lahn erst am 5. Juli dieses Jahres eine Geldstrafe in Höhe von 7.000 Euro (100 Tagessätze á 70 Euro) wegen Beleidigung in mehreren Fällen. In zahlreichen anonymen Hetzbriefen hatte er die Sozialpädagogen Ralf und Reiner Bender (Bürger, die sich gegen Neonazis wehren), die Geschäftsstelle der IG Metall Wetzlar und einen Abgeordneten des Lahn-Dill-Kreises wegen deren antinazistischer Gesinnung diffamiert.

Die Richterin bezeichnete Schäfer bei der Urteilsverkündung als Schreibtischtäter und hielt bei weiteren Taten eine Gefängnisstrafe für rechtlich geboten. Doch Schäfer zeigt sich davon offensichtlich ungerührt. Er macht weiter.
Auch in meinem Büro ging nach mehrmonatiger Pause wieder ein Schmähbrief ein, diesmal nicht adressiert. Aber mittlerweile sind in dem Anwesen Überwachungskameras installiert. Die Aufnahmen zeigen Horst Jürgen Schäfer, wie er denen, die ihm gegen ihren Willen über den Weg liefen, bekannt ist: Ein älterer Mann mit Rauschebart, der an den bereits erwähnten Horst Mahler erinnert; in den Händen Plastiktaschen mit neonazistischem Propagandamaterial.

Neben dem Nazi-Traktat verteilte er auch die achtseitige Propagandabroschüre „Vergissmeinnicht“, mit der Geschichtsverfälschung im Sinn der Eroberungspolitik des NS-Staats betrieben wird. Redaktionell verantwortlich für das Blatt ist Jürgen Hösl, wohnhaft im sächsischen Zittau (Landkreis Görlitz), ehemals Bundesvorsitzender der Schlesischen Jugend. In Görlitz war er als Vertreter der nationalistischen und revanchistischen DSU Mitglied des Stadtrats. Er verfügt er über beste Kontakte zum „Nationalen Jugend Block“ in Zittau.

Hösl fiel auch in anderer Weise auf. So in der Nacht zum 22. Juli 2004, als bei einer Autokontrolle im polnischen Boleslawiec drei Männer mit deutscher Staatsangehörigkeit festgenommen wurden, die zuvor in verschiedenen polnischen Orten Holzkreuze aufgestellt und revanchistische Plakate geklebt hatten. Neben einem Bautzener Neonazi zählten zu den Festgenommenen zwei „Prominente“ der deutschen Naziszene: Stephan Roth aus Oybin und Jürgen Hösl. Im Herbst 2005 begann der Prozess gegen sie vor dem Landgericht in Jelenia Góra/Polen. Die Staatsanwaltschaft klagte sie wegen Verunglimpfung der Polnischen Nation und Rassenhass an; das Strafmaß beträgt dafür bis zu fünf Jahre Gefängnis. Im Revisionsverfahren im April 2006 wurden sie schließlich zu Bewährungsstrafen von bis zu 10 Monaten verurteilt.

„Vergissmeinnicht“ greift beispielsweise die Pflege deutscher Kriegsdenkmäler, die an Gefallene des Ersten Weltkriegs erinnern, in Polen und Tschechien auf instrumentalisieren diese Art Kriegsgräberfürsorge für ihr revisionistisches Geschichtsbild. In der Person von Horst Jürgen Schäfer besitzt „Vergissmeinnicht“ einen Verbündeten, der demselben gefährlichen Ungeist verpflichtet ist.


Foto: 
Samisdat-Flugblatt von 2015 mit aktuellen persönlichen Marginalien des H. J. Sch.

Info:
Über den unbelehrbaren Horst Jürgen Schäfer berichtete Weltexpresso bereits mehrfach:
https://weltexpresso.de/index.php/zeitgesehen/10302-ein-schreibtischtaeter 
„Von JUNGER FREIHEIT und anderen Neonazis“; 22.08.2016