tach trumpZu den Ereignissen in CHARLOTTESVILLE

Andreas Mink

New York (Weltexpresso) - Er habe als Sohn von Holocaust-Überlebenden keine Toleranz für Rassenhass. Dass er Donald Trump unterstützt, mache ihn noch lange nicht zu einem Rassisten. Diese merkwürdige Erklärung gab am Mittwoch Michael Cohen per Twitter ab.

Cohen ist seit vielen Jahren ein persönlicher Anwalt Trumps und war bislang aus den Medien als eisenharter Fürsprecher seines Mandanten bekannt. Dass Cohen diesen nun implizit unter den Verdacht des Rassismus stellt, geht natürlich auf die Haltung Trumps zu den Gewalttaten in Charlottesville am vergangenen Samstag zurück. Dort war ein Neonazi während Auseinandersetzungen zwischen Ultrarechten und einer breiten Allianz von Gegnern mit einem Auto in Demonstranten gerast und hat eine junge Frau getötet sowie 35 weitere Menschen verletzt.

Trump hat seine Haltung zu dem Verbrechen mehrfach geändert und am Dienstag schliesslich eine moralische Äquivalenz zwischen rechten und linken Extremisten bei den Zusammenstössen hergestellt. Dabei hat er Tatsachen verdreht – die Gewalt ging primär von Neonazis und dem rassistischen Ku Klux Klan (KKK) aus – und es abgelehnt, die Amokfahrt als Terrorakt zu bezeichnen. Obendrein kritisierte Trump die Entfernung von Denkmälern für Generäle und Politiker der südlichen Sklaven-Staaten während des amerikanischen Bürgerkrieges, die Rechtsradikale nach Virginia gelockt hatten. Beifall fand Trump dafür bei Extremisten wie dem KKK-Exponenten David Duke. Doch von prominenten Republikanern bis in die Chefetagen der Wirtschaft schlug ihm bisher noch nie gesehene, geballte Kritik entgegen. Auch jüdische Mitarbeiter wie Wirtschaftsberater Gary Cohn sollen zutiefst unglücklich und bestürzt über die Haltung des Präsidenten sein.

Dies wirft die Frage nach Trumps Motiven auf. Dabei erscheint die Frage als Zeitverschwendung, ob er persönlich ein Rassist ist. Aufschlussreich sind vielmehr Trumps politische Kalkulationen. Hier kommen Konservative wie der Publizist John Podhoretz und Progressive wie das Team bei Nate Silvers Website fivethirtyeight.com zu ähnlichen Ergebnissen: Trump will Amerika entlang tiefer, ethnisch-kultureller Bruchlinien weiter spalten und damit Weisse (primär solche ohne höhere Bildung) hinter sich sammeln und gegen den Rest der Nation stellen. Deshalb schafft und attackiert er Feinde wie Muslime, Migranten oder «Black Lives Matter»-Radikale sowie die «Fake News». Gleichzeitig appelliert Trump an seit der Bürgerrechts-Ära der 1960er-Jahre gewachsene Überzeugungen unter Weissen, ebenfalls eine von Farbigen, Fremden und arroganten, urbanen Eliten benachteiligte Minderheit zu sein.

Laut fivethirtyeight.com teilen mindestens 20 Prozent der Republikaner diese Haltung. Podhoretz schreibt bei «Commentary», dass sich diese Wähler nach Trumps Eintritt in die Präsidentschaftswahlen im Juni 2015 rasch hinter ihm geschart haben und den harten Kern seiner Anhängerschaft bilden. Die Zahl der organisierten Rassisten und Ultranationalisten wie beim KKK dürfte derweil sehr viel geringer sein. Die Bürgerrechtsorganisation Southern Poverty Law Center schätzt den Klan auf maximal 8000 Mitglieder in einer Reihe von Splittergruppen. Offenkundig hat Trump zwischen Samstag und Dienstag entschieden, dass eine moralische Gleichmacherei zwischen Rechts und Links für ihn politisch günstiger ist als eine Distanzierung von weissen Ressentiments gegen Farbige, Fremde und sonstige «Andere». Dabei greift Trump auf eine erfolgreiche Tradition der Republikaner seit Richard Nixon zurück. Diese hat ihm sein skandalumwitterter Berater Roger Stone vermittelt, der als junger Mann unter Nixon Expertise für schmutzige Tricks gesammelt hat.

Nixon hatte nach der Einführung der Bürgerrechtsgesetze 1965 erkannt, dass weisse Demokraten mit niedrigem Bildungsstand nicht zuletzt unter dem Eindruck von Rassenunruhen etwa in Detroit für Parolen gegen arrogante Ostküsten-Eliten, Farbige und Fremde empfänglich waren. Nixon und später Ronald Reagan lockten diese Demokraten auf die Seite der Republikaner. Dazu hat Stone das Motto «Politik soll Bürger nicht zusammenbringen, sondern spalten, Hauptsache, man gewinnt Wahlen» bereit. Reagan kam mit dieser populistischen «Southern Strategy» 1980 bei einem zweiten Anlauf ins Weisse Haus. Sein damaliger Slogan «Make America Great Again» tönt so vertraut, wie das Konzept. Beraten von Stone sowie Nationalisten wie Steve Bannon, war Trump mit einer verschärften Neuauflage der gleichen Strategie erfolgreich. Bannon lieferte Trump zudem mit «Breitbart News» eine Medien-Plattform, die Appelle an weisse Rassenressentiments in ein Geschäftsmodell verwandelt hatte.

Da Weisse ohne höhere Bildung immer noch 45 Prozent der Amerikaner stellen, macht Trumps Spalt-Strategie politisch Sinn. Er sichert sich damit den mit Abstand grössten Block von Wählern. Gleichzeitig verwirrt und empört er etwa durch Deregulierung im Umweltbereich oder ständige wechselnde Attacken auf progressive Anliegen wie Transgender-Gleichheit die demokratische Allianz aus Minoritäten und urbanen Linksliberalen. Deren Zorn liefert Trump und rechten Medien endlos Munition für die Mobilisierung der eigenen Basis. Das von Trump geschaffene Dauer-Drama mit immer neuen Themen und Zielscheiben hindert die untereinander zerstrittenen Demokraten bislang an der Entwicklung einer klaren Gegenposition. Gleichzeitig hält Trump die eigenen Anhänger durch Scharfmacherei in seinem Bann.

Dazu kommt eine bei näherer Betrachtung erstaunlich hohe Disziplin bei dem «Messaging» an die weisse Basis: Trump redet ständig über und tritt häufig mit Militärs, Polizisten und Veteranen auf. Damit signalisiert er Solidarität mit einer für seine Anhänger spezifischen Spielart des Patriotismus. Deshalb halten trotz insgesamt miserabler Umfragewerte immer noch drei Viertel der Republikaner zu Trump. Obendrein nimmt er gute Konjunktur-Daten und Börsenrekorde für sich in Anspruch. Wie Interviews mit Anhängern in Pennsylvania jüngst ergaben, steht Trump deshalb bei seiner Gefolgschaft als effektiver, aber von vielen Feinden umzingelter Mann des Volkes da. Dieses «Volk» erscheint seit Charlottesville unzweideutig als «weiss» in einem ethnisch-rassischen Sinn.

Foto: © tachles

Info: 
Andreas Mink ist US-Korrespondent der JM Jüdischen Medien AG, sein Artikel wurde vor dem Weggang/Rausschmiß des Chefstrategen Steve Bannon aus dem Weißen Haus geschrieben.
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 18. August 2017