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Kategorie: Zeitgeschehen
p freiheit fur akhanli portraitfordert der Deutscher PEN für sein  Mitglied, der derzeit auf Wunsch der Türkei in Spanien festgenommen wurde und in die Türkei ausgeliefert werden soll

Claudia Schulmerich

Darmstadt (Weltexpresso) - Es ist wirklich unglaublich und erfordert nicht nur deutliche Worte, sondern auch Handeln, wobei weniger die hohe Politik gefragt ist, sondern knallhart die Wirtschafts- und Touristenkarte gezogen werden muß.

Während sich Erdogan zum Herren über Deutschland aufschwingt und 'seinen' Türken - das ist wirklich die Höhe - empfiehlt, sich bei der Bundestagswahl am 24. September zu enthalten und auf keinen Fall CDU, SPD und Grüne zu wählen (aha, die AfD gefällt Erdogan also besser!), sperrt er die Demokratie in der Türkei ins Gefängnis. Genau so deutlich muß man das ausdrücken, was die ganzen Monate über in der Türkei passiert. Wir berichten ja nur über die Spitze des Eisbergs aus deutscher Sicht, dann nämlich, wenn deutsche Staatsbürger in der Türkei inhaftiert werden.

Denn obwohl manche wie Deniz Yücel (Welt.Korrespondent) und die Übersetzerin Meşale Tolu seit Monaten im Gefängnis sitzen und auf ihren Prozeß warten, geht die Verhaftungswelle weiter. Offizieller Grund ist immer die angebliche Herabwürdigung der Türkei und Komplizenschaft mit dem Islam-Prediger Fethulla Gülen, der Asyl in den Vereinigten Staaten hat.

Die Absurdität dieses politischen Asyls ist nun, daß Gülen in der Türkei von der Polizei gesucht wurde, weil man ihm - mit Recht - vorwarf, aus der (eigentlich) säkularen Türkei, dem Atatürk-Staat, einen islamischen Staat machen zu wollen - also genau das, was derzeit und zwar massiv und seit Jahren dieser Erdogan doch selbst tut. Es handelt sich also um staatlichen Handeln vor Erdogan, dessen Partei damals Ende der 90er Jahre noch gar nicht existierte. So waren die beiden, Erdogan und Gülen damals auch politische Freunde. Es scheint wohl eine männliche oder eben auch eine islamistische  Konkurrenz zwischen den beiden entstanden sein, daß Erdogan jetzt von den USA die Auslieferung Gülens in die Türkei fordert. 

Insgesamt, so meldete die Tagesschau, sitzen 44 deutsche Staatsbürger derzeit in türkischer Haft. Was man nur durch solche Verfahren nebenbei erfährt, ist, daß bei doppelter Staatsbürgerschaft der Schutz, den Deutsche sonst genießen, wie Betreuung, also auch Besuch durch das Deutsche Konsulat, entfällt. 

Das ist schon schlimm genug. Aber der neue Aberwitz, den sich die Türkei leistet, sind nun türkische Haftbefehle, die Interpol vollziehen soll. Der Fall Doğan Akhanlı ist so ungeheuerlich, daß es richtig ist, dies politisch sofort zum Hauptthema gegenüber der Türkei zu machen und gleichzeit ein gemeinsames Vorgehen der europäischen Staaten in Gang zu setzen, daß damit beginnt, daß die spanischen Behörden den aufgrund des türkischen Haftbefehls heute festgenommenen deutsch-türkischen Schriftsteller sofort freiläßt. Dieser war übrigens zum Urlaub in Spanien. Auch keine Werbung für den spanischen Tourismus, der durch die Attentate in Katalonien ehe Angst vor Stornierungen der Gäste fürchten müssen, wenn nun dort deutsche Staatsbürger verhaftet werden, wenn die Türkei dies fordert. Staatliches Handeln ist sofort angesagt.

Und so lautet der Protest des PEN

Wir protestieren gegen die Verhaftung unseres Mitglieds Doğan Akhanlı auf Betreiben der Türkei und appellieren an die spanischen Behörden, sich nicht zum Handlanger Erdoğans zu machen. Unser Kollege Doğan Akhanlı darf keinesfalls an die Türkei ausgeliefert werden, sondern muss umgehend freigelassen werden.

Heute Morgen wurde unser Mitglied, der Kölner Schriftsteller und Menschenrechtsaktivist Doğan Akhanlı, um 8:30 Uhr in Granada/Spanien in seinem Hotelzimmer aufgrund eines türkischen Haftbefehls festgenommen. Gegen ihn, so hieß es, läge auf Betreiben der Türkei ein Dringlichkeitsvermerk bei Interpol vor. Auszugehen ist von einer gezielten Suche der türkischen Regierung nach Doğan Akhanlı (60). Der Schriftsteller schreibt u.a. in „Kiyamet Günü Yargiçlari“ (dt. „Die Richter des Jüngsten Gerichts“) über den Völkermord an den Armeniern im Jahr 1915, den die Türkei nicht als solchen bezeichnen will, und gilt der Regierung in Ankara als Gegner.

Als vorgeschobener Grund sei ein Strafverfahren genannt, das eindeutig politisch motiviert ist, so Akhanlıs deutscher Anwalt Ilias Uyar. So wurde dem Kölner Schriftsteller, der seit 2001 die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt und u.a. mit dem Menschenrechtspreis des evangelischen Kirchenkreises Köln ausgezeichnet wurde, 2010 vorgeworfen, 1989 an einem Raubüberfall in der Türkei beteiligt gewesen zu sein – zu einer Zeit, als Doğan Akhanlı nachweislich nicht in der Türkei gewesen war. Er wurde freigesprochen, das Urteil 2013 unter Erdoğans Regierung jedoch aufgehoben.

Präsidentin: Regula Venske                               Writers-in-Prison-Beauftragter Sascha Feuchert

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