tach sechtstageKomplexe Situation in ISRAEL

Jacques Ungar

Tel Aviv (Weltexpresso) - Zurzeit wird der 50. Jahrestag des Sechstagekriegs von 1967 in Israel begangen – mit ihm wird auch der Beginn des Siedlungsbaus gefeiert, was zu Konflikten führt.

In Israel sind derzeit Feierlichkeiten rund um geschichtsträchtige Jahrestage im Zusammenhang mit dem jüdischen Staat und seiner Gründung an der Tagesordnung. Den meisten von ihnen, wie etwa dem 120. Jahrestag des ersten Zionistenkongresses von 1897 in Basel, haftet ein politischer Beigeschmack an, bei anderen, wie dem 50. Jahrestag des Sechstagekriegs von 1967, kommt eine für den israelischen Dialog nicht minder wichtige ideologische Komponente hinzu: Der Jahrestag des Sechstagekriegs wird dieses Jahr nämlich parallel zur Feier zum Andenken an den Beginn des Siedlungswerks in der Westbank begangen.

Der zentrale Charakter der Siedlungsfeierlichkeiten wird durch die Tatsache unterstrichen, dass Premierminister Binyamin- Netanyahu am 28. August persönlich in den Industriepark der Westbanksiedlung Barkan zu reisen plant, um zum ersten Mal überhaupt an einer offiziellen Feierlichkeit zu Ehren des jüdischen Siedlungswerks in der Westbank anwesend zu sein. Und wie es sich für den israelischen Alltag gehört, handelt es sich hier um Anlässe, die einem Teil der Bevölkerung des Landes das Herz höher schlagen lassen, während sie einem anderen Teil schon viel weniger in den Kram passen. Laut dem Organisator, dem Regionalrat von Samaria, werden in Barkan die Likud-Minister Israel Katz, Ofir Akunis, Tzachi Hanegbi und Gila Gamliel sowie die Minister Naftali Bennett- und Uriel Ariel von der Partei Das Jüdische Haus einen «Rahmen der Würde» bilden, innerhalb welchem Premier Netanyahu sich geborgen fühlen dürfte.


Gespaltene Gesellschaft

Wie sehr gespalten die Bewohner Israels und der Gebiete hinsichtlich des Siedlungswerks nicht nur untereinander, sondern auch mit Juden in aller Welt sind, ist seit Jahren schon ein Geheimnis, das die Spatzen von allen Dächern des Landes pfeifen. Zwei Wochen nach dem politischen Spitzenaufmarsch von Barkan findet am 13. September in der Westbanksiedlung Kfar Etzion im gleichnamigen Siedlungsblock vor den Toren Jerusalems die formelle Regierungszeremonie statt.

Israels Führung lässt ihr Siedlungswerk nicht im luftleeren Raum hochleben. Am 28. und 29. August besucht Uno-General-sekretär António Guterres zum ersten Mal überhaupt Israel und die Palästinenser-gebiete, und in den nächsten Tagen werden zudem die amerikanischen Gesandten Jared Kushner, Jason Greenblatt und Dina Powell,- die stellvertretende Leiterin des Nationalen- Sicherheitsrats der USA, zu weiteren Ge-sprächsrunden mit Israeli und Palästinensern in der Gegend erwartet.

Im Zusammenhang mit den jüdischen Siedlungen in den Gebieten sei daran erinnert, dass US-Präsident Donald Trump Premierminister Netanyahu bereits öffentlich ersucht hat, sich hinsichtlich des Siedlungsbaus Zurückhaltung aufzuerlegen, ohne diese Tätigkeit aber wirklich zu verurteilen. Da war das State Department, das amerikanische Aussenministerium, schon klarer, meinten seine Sprecher doch schon mehr als ein Mal, dass der Siedlungsbau dem Friedensprozess nicht helfen würde. Als Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas dieser Tage (sehr zum Missfallen der Likud-Führung notabene) eine Delegation der linksliberalen Meretz-Partei bei sich in Ramallah empfing, klagte er ihr gegenüber sein Leid, was die Siedlungen betrifft. Bei jedem der bisherigen rund 20 Treffen mit Gesandten der Administration Trump hätten diese ihm ihre Verpflichtung der Zweistaatenlösung und dem Siedlungsstopp gegenüber bekräftigt, doch sie hätten nie seiner Bitte entsprochen und dies auch zu Netanyahu in dieser Eindeutigkeit gesagt. «Ich weiss nicht, was das in Bezug auf die Fortsetzung der Gespräche bedeutet oder in Bezug auf die Resultate des bevorstehenden Besuchs (der amerikanischen Delegation, Anm. d. Red.).»


Eine Kluft

Israel seinerseits bekräftigt immer wieder seine Haltung, wonach es den Bau der Siedlungen weiter fortsetzen könne und werde. Jerusalem stimmt nicht überein mit dem Standpunkt der Palästinenser, die im Siedlungsbau die Hauptgefährdung für den Friedensprozess sehen. Für die heutige Regierung, und effektiv für fast alle israelischen Regierungen seit 1967, ist die arabisch-palästinensische Terrortätigkeit für diese Gefährdung zuständig.

Halten wir uns diese nach wie vor unüberbrückbar erscheinende Kluft zwischen Jerusalem und Ramallah vor Augen, dürften auf die Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag des Beginns des israelischen Siedlungswerks in den Gebieten noch weitere Jahrestage und die dazugehörenden Feierlichkeiten folgen, gekoppelt mit der vor allem von der internationalen Völkergemeinschaft, allen voran den USA, immer wieder geäusserten Bekräftigung der Fortsetzung des Friedensprozesses.

Foto: 
Der Jahrestag des Sechstagekriegs wird parallel zur Feier zum Andenken an den Beginn des Siedlungswerks in der Westbank begangen © tachles

Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 25. August 2017