mk irandeutschlandfunkDonald Trump und der Atomdeal mit Iran, Teil 1/4

Matthias Küntzel

Hamburg (Weltexpresso) - US-Präsident Donald Trump bezeichnete in seiner Rede vor den Vereinten Nationen das Atomabkommen mit Iran als “Peinlichkeit für die USA”. Er drohte, es Mitte Oktober zu verlassen. Dann nämlich muss er gemäß des Iran Nuclear Agreement Review Act feststellen, ob sich Teheran an dieses Abkommen hält oder nicht. Zweimal hatte er dem Regime diesen Persilschein widerstrebend ausgestellt; ein drittes Mal, so Trump, werde er dies nicht tun.

Diese Ankündigung schreckt die europäischen Partner des Atomdeals – die EU, Frankreich, Großbritannien und Deutschland – auf. Sie fordern von den USA, am Atomdeal, wie er ist, festzuhalten und verweisen auf die Internationale Atomenergie-Agentur IAEA, die dem Iran erst kürzlich wieder bescheinigte, gegen dessen Bestimmungen bislang nicht verstoßen zu haben.

Zwar hat sich der neue amerikanische Präsident schon in den ersten Monaten seiner Amtszeit politisch und persönlich diskreditiert. Wer beim Thema Iran jedoch von einer weiteren Verrücktheit Donald Trumps ausgeht, macht es sich zu leicht. Irre sind nicht diejenigen, die den Atomdeal kritisieren und Abänderungen oder flankierende Maßnahmen fordern. Irre sind jene, die behaupten, mit dem Atomdeal sei die Gefahr der iranischen Bombe gebannt.

Denn dies zeichnet den “Joint Comprehensive Plan of Action“ (JCPOA), wie das Abkommen offiziell genannt wird, aus: Auch dann, wenn das iranische Regime alle Bestimmungen einhält, ist ihm am Ende der faktischer Atomwaffenstatus gewiss. In acht bis dreizehn Jahren fallen sämtliche Begrenzungen weg – dann darf das Regime mit dem Segen der internationalen Gemeinschaft Bombenrohstoffe in beliebiger Menge herstellen.

Barack Obama höchstpersönlich räumte dies 2015 ein: “In 13, 14, 15 Jahren ... würde die breakout time auf nahezu Null schrumpfen.“[1] Mit breakout timewird die Zeitspanne bezeichnet, die ein Land braucht, um Atomwaffenmacht zu werden. Das Abkommen, dass das iranische Atomwaffenprojekt zu stoppen vorgibt, bereitet ihm somit den Weg.

Von Anbeginn war der Atomdeal eine “Wette auf die Zukunft“, wie es seinerzeit in einem Kommentar der Frankfurter Allgemeinen hieß. Die fünf Vetomächte des Sicherheitsrats und Deutschland gingen die Wette ein, dass dann, wenn man die iranischen Atomwünsche teils kurzfristig, teils mittelfristig erfüllt, die sogenannten Moderaten im Regime die Oberhand gewinnen würden und sich der Iran nicht nur dem Westen gegenüber öffnen, sondern auch in der Region eine stabilisierende Rolle spielen und das Interesse an Atomwaffen schließlich verlieren würde.

Diese Wette basierte auf einer kompletten Fehleinschätzung der ideologischen Prämissen, die das Handeln Teherans bestimmen; einer Fehleinschätzung, die vom Autor dieser Zeilen in den letzten zwölf Jahre ebenso beständig wie wirkungslos kritisiert worden ist. Inzwischen beweist die Realität der iranischen Innen- und Außenpolitik, dass der Westen diese Wette sogar haushoch verlor: Der Aggressionskurs gegen Israel wurde gesteigert, die Raketenentwicklung trotz eines entgegenstehenden UN-Beschlusses weiterentwickelt und der benachbarte Libanon von der Teheran-gesteuerten Hizbollah faktisch übernommen. Syrien wird derzeit zum iranischen Protektorat umgebaut und der Irak wie auch Jemen mittels Teheran-höriger schiitischen Milizen destabilisiert.

Die wohl wichtigste Prämisse des Atomdeals, dass er eine Wende zum Besseren einleiten würde, ist somit widerlegt. Wer dennoch, wie Angela Merkel und Sigmar Gabriel beide Augen schließt und so tut, als stünde mit dem Atomabkommen alles zum Besten, weshalb man es gar als Blaupause für Nordkorea-Verhandlungen nehmen sollte, nimmt eine Entwicklung in Kauf, die künftige Atomwaffeneinsätze evoziert.

Heute ist es Nordkorea, das die Welt mit irren Ankündigungen in Angst und Schrecken versetzt, und zwar als ein Land, das offenkundig keine globalen Interessen verfolgt. Das islamistische Regime hingegen will die Welt verändern. Ali Khamenei, der iranische Revolutionsführer, hat den gesamten Globus zur Kampfarena zwischen Muslimen und den “Mächten der Arroganz“ erklärt: Die islamische Revolution von 1979 sei ein “Wendepunkt in der modernen Weltgeschichte“, mit dem die “Rettung der Menschheit“ eingeleitet worden sei.[2]

Atomwaffen sind aber in den Händen von Ideologen, die die Welt “befreien” und eben deshalb Israel und die USA vernichten wollen, eine besondere Gefahr. Auch deshalb geht der Westen, der sich schon von Nordkorea hatte reinlegen lassen, ein noch größeres Risiko ein, wenn er nun auch beim Iran-Deal alles beim Alten belässt.

Anmerkungen

[1] Michael R. Gordon; David E. Sanger: With Details of Iran Deal Still in Flux, White House Opens Sales Effort, in: New York Times, 7. April 2015.

[2] Henner Fürtig, Islamische Weltauffassung und außenpolitische Konzeption, Berlin 1998, S. 147f.


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Foto: © deutschlandfunk.de

Info: Original erschienen in mena-watch am 21.9.2017