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Kategorie: Zeitgeschehen
uni marcon1Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron an der Goethe-Universität

Susanne Sonntag

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Zwischen Rathaus und Buchmesseneröffnung hatte sich der französische Staatspräsident Emmanuel Macron als politische Plattform gezielt die Frankfurter Universität ausgesucht. Er hatte erst kürzlich bei einer viel beachteten Rede an der Pariser Sorbonne einen Appell an junge Menschen gerichtet, Europa wieder zu ihrer Sache zu machen.

uni macronÄhnliches, so hieß es in der Einladunge seitens der Universität,  plant er für seinen Besuch in Frankfurt. Der französische Staatspräsident hat sich die Goethe-Universität Frankfurt ausgewählt, um von hier aus zusammen mit dem deutsch-französischen Politiker Daniel Cohn-Bendit sowie dem französischen Sozialphilosophen Gilles Kepel einen weiteren Appell für mehr europäisches Engagement an Europas Jugend zu richten. Daß er gezielt junge Akademiker anspricht, hat, so wird kolportiert, daß er ursprünglich eine universitäre Laufbahn geplant hatte und in all den Jahren das Gespräch mit Studenten nicht aufgegeben, sondern intensiviert hat. Überall. Auch in Deutschland, wenn er zur Eröffnung der Buchmesse nach Frankfurt kommt.
 
Alle drei sprachen, dennoch richtete sich das Interesse des Saales, dessen Plätze schon im Vorfeld so begehrt waren, daß ein Stopp erfolgte und alles in einen Nachbarsaal übertragen wurde, auf den Präsidenten. Der forderte eine "Koalition des guten Willens" für Europa und sagte: "Wir brauchen mehr Demokratie. Wir brauchen eine Debatte, einen Wegeplan." Und er betonte, daß die Nachbarländer Frankreich und Deutschland dabei eine besondere Aufgabe hätten. Seinen Pariser Appell "Wir brauchen Visionen", wiederholte er auch hier und man brauche auch das politische Fingerspitzengefühl, wann Europa angesagt sei und wann nationale Interessen allein eine Rolle spielen. So wie derzeit in Spanien, wo Europa in der Auseinandersetzung zwischen Katalonien und dem Mutterland Spanien nichts zu suchen habe, denn die nationale Souveränitat werde nicht ausgehebelt durch eine europäische Souveränitat, die er gestärkt anstrebt für alle die Bereiche, wo ein Land allein nichts erreiche oder allein kein Ansprechpartner sei. Da gäbe es die Bereiche der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, Terrorismusbekämpfung und auch Asyl- und Einwanderungspolitik, in der die EU europäische Maßstäbe setzen müßte. 

Offene Worte fand Macron zu den Versäumnissen Europas in Hinblick auf die Entstehung des islamischen Terrorismus, den er als Folge viele Fehler der europäischen Kolonialmächte sieht und den er, das war zu merken, wirklich beschäftigt, ja tangiert. Den Libyenkrieg nannte er einen großen politischen Fehler, weil eben die Verursacher sich keine Vorstellungen gemacht hätten, wie es dann weitergehe. Darum müssen man vor Aktionen, erst recht militärischen wissen, was man damit wolle. Darum spreche er von Visionen.  Seine Bildungsoffensive solle auch den Kindern der Asylanten, Flüchtlingen, Einwanderern eine Perspektive in Europa geben, damit Anwerber für den IS beispielsweise gar keine Chancen hätten, weil diese Kinder und Jugendlichen hier eine Zukunft haben. Darüber wolle er in Deutschland sprechen und lade Angela Merkel nach Frankreich ein, dasselbe zu tun. 

Macron hatte sich dezidiert dafür ausgesprochen, den Feinden und Gegnern des europäischen Gedankens nicht das Feld zu überlassen, so daß ein dem guten Gedanken ein negativer Touch verliehen werde. Wir hätten zugelassen, daß wir im Gestalten des europäischen Projekts in öffentlichen Äußerungen "ein wenig den Faden verloren" haben und die Debatte den Zweiflern oder sogar Ablehnern des europäischen Gedankens überlassen haben.

Für Macron spielt im europäischen Projekt, das er also erneut anstoßen will, Deutschland eine besondere Rolle, weshalb er gespannt verfolge, wie Deutschland seine "Initiative für Europa" aufnehme. Das bezieht sich auch auf konkrete Vorschläge wie die, daß bis 2024 die Hälfte der Altersgruppen bis 25 Jahre mindestens sechs Monate in einem anderen europäischen Land zu verbringen, was die Frankfurter Universitätspräsidenten dezidiert begrüßte.

Die Präsidentin der Goethe-Universität, Prof. Dr. Birgitta Wolff, hatte  zu dieser Festveranstaltung „Debatte über die Zukunft Europas“ mit dem französischen Staatspräsidenten eingeladen, weil dieser die Bitte an sie gerichtet hatte. Seit jeher sucht Macron den Kontakt mit der nachwachsenden Generation, vor allem der universitären. So hatte er beim Besuch in Berlin vor Studenten der Humboldtuniversität gesprochen, das war im Januar und erst gerade vor zwei Wochen  in Paris seine vielbeachtete Europarede in der Sorbonne gehalten.

Der Besuch fand in Kooperation mit dem Institut Franco-Allemand de Sciences Historiques et Sociales im Festsaal des Casinogebäudes auf dem Campus Westend der Goethe-Universität statt. Das Casino ist neben dem IG-Hochhaus noch der originale Bestand des IG-Farbengebäudes, wie es der durch die IG-Farben beauftragte Architekt Hans Poelzig gebaut hatte: ein wunderschönes Gebäude mit einer besonderen Aura.