p rhein lahn krimi JammertalOder: Schlag nach bei Brecht und Heine

Kurt Nelhiebel

Bremen (Weltexpresso) - Wer es immer noch nicht wusste, wo es hakt bei den Gesprächen über die Regierungsbildung, dem hat Markus Söder am Sonntag die Augen geöffnet. Noch ehe sich die Spitzen von Union und SPD am Mittwoch zu einem ersten Schnuppertermin versammeln, hat er die führenden Sozialdemokraten vors Schienbein getreten.

In einem Zeitungsinterview wies er deren Forderung nach einer Bürgerversicherung sowie die geplante Umwandlung der EU in die „Vereinigten Staaten von Europa“ bis 2025 brüsk zurück.

Auch innerhalb der CSU knirscht es gewaltig. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer sah sich zu der Klarstellung veranlasst, dass er sich in den anstehenden Gesprächen mit der SPD über eine Große Koalition die Verhandlungsführung nicht mit Markus Söder teilen werde. Das sei keine bayerische, sondern eine Bundesangelegenheit. Den beiden Kernforderungen der SPD erteilte er ebenfalls eine Absage. Die CSU werde eine Bürgerversicherung wie von den Sozialdemokraten gefordert nicht akzeptieren. Auch dem anderen Vorhaben, den Vereinigten Staaten von Europa, räumte er keine Chance ein. Das werde „sicher Utopie bleiben“.

Bei dem Gespräch am Mittwoch soll es sich noch nicht um den Einstieg in offizielle Sondierungen handeln. Erwartet wird lediglich, dass sich die Teilnehmer auf einen Terminplan für weitere Treffen einigen. Am 15. Dezember will der SPD-Vorstand beraten, ob Anfang Januar förmliche Sondierungsgespräche aufgenommen werden. Die Delegierten des SPD-Parteitages hatten in der vergangenen Woche der Aufnahme von Gesprächen über eine neue große Koalition mit der Maßgabe zugestimmt, dass sie „ergebnisoffen“ geführt werden.

Über das Resultat und das weitere Vorgehen soll dann abermals ein Parteitag entscheiden. Das letzte Wort werden die Mitglieder bekommen.

Das Verfahren ist Ausdruck einer tiefen Verunsicherung der gesamten Partei angesichts des widersprüchlichen Verhaltens der Parteispitze und in erster Linie des Vorsitzenden Martin Schulz. Der mit 100 Prozent auf den Schild gehobene ehemalige Bürgermeister einer niederrheinischen Kleinstadt und Präsident des Europaparlaments brachte es jetzt auf realistische knapp 82 Prozent. Die Forderung der Jungsozialisten, kein neues Regierungsbündnis mit der CDU/CSU einzugehen, wurde auf dem Parteitag von vielen bejubelt, erhielt aber nicht die nötige Mehrheit.

Einig waren sich alle darin, dass die SPD einer Erneuerung bedarf, wenn sie verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen will. Bei kosmetischen Änderungen wird es nicht bleiben dürfen. Von einem gesellschaftlichen Entwurf, der die Partei zu neuen Ufern führt, ist jedoch weit und breit nichts zu sehen. Das Kernproblem der SPD besteht darin, dass sie die Interessen der Großaktionäre mit den Interessen der abhängig Beschäftigten auf einen Nenner bringen will, dass sie Arm und Reich versöhnen und die „Spaltung“ des Volkes aufheben will. Das geht nicht. Nur wer bereit ist, den Reichen etwas zu nehmen, kann den Armen etwas geben. Das ist die Krux des Ganzen. „Ein guter Mensch sein? Ja, wer wär’s nicht gern? Doch leider sind auf diesem Sterne eben die Mittel kärglich und die Menschen roh. Wer möchte nicht in Fried’n und Eintracht leben? Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so!“

Es muss ja nicht Bertolt Brecht sein, auch Heinrich Heine hat manches zu bieten:

„Wir wollen auf Erden glücklich sein, / Und wollen nicht mehr darben, / Verschlemmen soll nicht der faule Bauch, / Was fleißige Hände erwarben. / Es wächst hienieden Brot genug / Für alle Menschenkinder, / Auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust, / Und Zuckererbsen nicht minder. / Ja, Zuckererbsen für jedermann, / Sobald die Schoten platzen! / Den Himmel überlassen wir / Den Engeln und den Spatzen.“

Foto: Rhein-Lahn-Krimi: Jammertal © Facebook