kpm Ein rotlicher Schein ums Weise HausEin Nachruf auf das virtuelle Jahr 2017. Teil II: Die USA und ihre Einflusszonen

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Am 8. Januar geschah das Unerwartete, aber von vielen Amerikanern Erhoffte. Der US-Kongress kündigte an, gegen den zwar gewählten, aber noch nicht ins Amt eingeführten Präsidenten Donald Trump ein Amtsenthebungsverfahren gemäß Artikel I, Abschnitt 3 der Verfassung der Vereinigten Staaten einleiten zu wollen.

Die Demokratische Partei hatte den künftigen Präsidenten »schwerer Verbrechen und Vergehen« beschuldigt und dafür Beweise veröffentlicht. Diese belegen einen Vertrag zwischen Trumps Firmen und einem Bankenkonsortium, darunter Goldman Sachs und J. P. Morgan, der nach der Wahl am 8. November 2016 abgeschlossen worden war. Aus dem Inhalt des Abkommens wurden u.a. diese Punkte bekannt:

»Das Öl- und Rüstungsgeschäft mit Saudi-Arabien, den Emiraten sowie dem Irak wird unter der Präsidentschaft von Donald Trump ohne die bisherigen Einschränkungen fortgesetzt. Die fossilen Energiequellen, vorrangig Öl, aber auch Kohle, sind im Rahmen dieses Konzepts bis zu ihrem Versiegen abzubauen. Damit werden die amerikanischen Reserven genutzt und im gleichen Umfang die jahrzehntelangen internationalen Investitionen einer abschließenden Rendite zugeführt. [...] Als Reserve-Energieträger wird weiterhin die Kernkraft eine Rolle spielen. Die notwendigen Endlagerstätten für Brennstäbe etc. lassen sich in Regionen Afrikas und Asiens unter besonderer Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte optimal errichten. [...] Die USA werden die Pariser Klima-Vereinbarung kündigen.

Nach derzeitigem Stand dürfte es ausreichen, Wasser, Wind und Sonne erst ab Beginn der 2030er Jahre als alternative Ressourcen aufzubauen. Die entsprechenden Technologien sind bereits jetzt in Europa serienreif entwickelt. Die Anbindung amerikanischer Banken an das europäische Finanzsystem sollte in diesem Punkt eine gezielte Verfolgung unserer nationalen Interessen erlauben. Hierbei könnten die Erfahrungen aus der Strukturkrise von 2008 sehr hilfreich sein. [...]

Saudi-Arabien bietet die besten Voraussetzungen, um endgültig zur Hegemonialmacht auf der arabischen Halbinsel aufzusteigen. Die technische Modernisierung der saudischen Streitkräfte besäße keine negativen Auswirkungen auf das Territorium der USA. Der Partner ist zu einem bewaffneten Konflikt gegen den Iran zu bewegen. Damit ließen sich dessen Erdölvorkommen für die USA und ihre Verbündeten sichern. [...]

Im Rahmen dieser globalen Strategie kommt dem Irak die Aufgabe zu, die kurdischen Gebiete zu entmilitarisieren und diese gegebenenfalls gemeinsam mit der Türkei zu verwalten. [...]

Der Interessenskonflikt zwischen Israel und den Palästinensern sollte auf dem gegenwärtigen Stand eingefroren werden, was auch unserem israelischen Partner nutzen würde. Die Bevölkerung im Westjordanland, die mehrheitlich einem weniger orthodoxen Islam zuzurechnen ist, muss die Gelegenheit erhalten, sich mit innerer Überzeugung einer Lösung zu öffnen, die weder den Interessen der USA und Israels noch denen der Partner auf der arabischen Halbinsel zuwiderlaufen. Auf jeden Fall müssen soziale Experimente, wie sie ehedem von PLO-Führer Arafat formuliert wurden, strikt entgegengewirkt werden. Das Beispiel des einstigen iranischen Ministerpräsidenten Mossadegh gilt für alle Zeiten als Warnung. [...]

Das syrische Territorium eignet sich in absehbarer Zeit dazu, Geflüchtete zurückzuführen und parallel dazu solche aus Afrika anzusiedeln. Dies erscheint selbst für den theoretischen Fall von Rassenunruhen als sinnvoll. Denn diese Region ist auf jeden Fall geopolitisch zu neutralisieren.«

Die Beweislast gegen die Trump-Connection war erdrückend. Zwar war dem designierten Vizepräsident Mike Pence keine persönliche Schuld nachzuweisen, aber dessen Weigerung, an der Aufklärung mitzuarbeiten, erwies sich als unüberwindbare Barriere auf dem Weg ins Weiße Haus. Unter dem Druck der Kongressmehrheit und einer rasch zunehmenden Anti-Trump-Stimmung in der Bevölkerung verzichteten Donald Trump und Mike Pence am 18. Januar auf ihre künftigen Ämter und traten zur Inauguration erst gar nicht an.

Präsident Obama verblieb kommissarisch im Amt und ordnete Neuwahlen für den 5. März an. Aus diesen ging Senator Bernie Sanders, der von den Demokraten unterstützt wurde, als eindeutiger Sieger hervor. Der Republikaner Paul Ryan kam lediglich auf 35 Prozent der Wahlmänner-Stimmen. Sanders trat am 22. Mai sein Amt als 45. US-Präsident an.

Eine seiner ersten Maßnahmen war der Abzug amerikanischer NATO-Truppen aus dem Baltikum und aus Polen, um das Verhältnis zu Russland zu entspannen. Daraufhin trat NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg von seinem Amt zurück. Ihm folgte der deutsche Politiker Sigmar Gabriel, der wenige Monate vorher als Vorsitzender der SPD zu Gunsten von Ralf Stegner zurückgetreten war.

Die Entwicklung in den USA begünstigten weitere politische Veränderungen in den Krisenregionen der Welt.

In Kairo entmachteten im Juni zwei Armee-Brigaden in Kooperation mit dem Befehlshaber der Luftwaffe den autoritär regierenden Präsidenten Sisi und erklärten das Land zu einer säkularen und demokratischen Republik. Die Erdölindustrie wurde vom Volksbefreiungsrat verstaatlicht, ebenso mehrere Großunternehmen. Der Islam wurde zu einer Religion unter anderen erklärt, die Verfolgung der koptischen Christen unter strenge Strafen gestellt. Den Frauen wurde das öffentliche Tragen von Kopftüchern und Schleiern verboten; die Homosexualität legalisiert.

Im Verlauf des Sommers bildete sich eine internationale militärische und technische Legion, um die Strukturen in den ländlichen Bezirken auf einen notwendigen technischen Mindeststandard zu heben und eine nachhaltige Landwirtschaft zu ermöglichen. Bislang hat es den Anschein, dass der »ägyptische Frühling« des Jahres 2011, der zwischenzeitlich erloschen war, nunmehr eine echte Zeitenwende einleitet.

Im Gaza-Streifen wurden im August die Führer der radikal-islamischen Hamas durch eine sozialistische Guerilla vertrieben. Letztere bot der israelischen Regierung einen Dialog an, was von Ministerpräsident Netanjahu jedoch abgelehnt wurde. Daraufhin verstärkten sich die Demonstrationen gegen den als korrupt geltenden Politiker, der nach sechs Wochen permanentem, sämtliche Bereiche des öffentlichen Lebens umfassenden, Protest im Oktober zurücktrat. Aus den notwendig gewordenen Neuwahlen gingen die linken Parteien Awoda und Ha-Tnu’a als Sieger hervor und bilden seit November eine Koalitionsregierung.

Mehrere, vermutlich in Ägypten abgefeuerte, Langstreckenraketen zerstörten am 6. Dezember die Kaaba in Mekka, das größte Heiligtum des Islam. In Mitleidenschaft gezogen wurde der gesamte Bezirk der Großen Moschee. Die Angaben über Todesopfer differieren; amtliche saudische Stellen sprachen von 160 Toten und Schwerstverletzten. Seither halten sich Gerüchte über einen offenen Machtkampf im saudischen Königshaus.
In der gesamten muslimischen Welt herrschen Trauer, Enttäuschung und Sorgen über die künftige Entwicklung. In Indonesien, dem Staat mit der größten muslimischen Bevölkerung der Welt, kam es zu Demonstrationen, die in blutige Krawalle ausarteten. In der Türkei verschärften sich die Auseinandersetzungen zwischen der Partei von Präsident Erdogan, der AKP, und der oppositionellen und linksorientierten Republikanischen Volkspartei CHP. Auch hier gelten die Vorgänge in Saudi-Arabien und Ägypten als Auslöser.

Die Welt ist im Jahr 2017 in Bewegung geraten, vor allem dort, wo man es gar nicht erwartet hätte: in Deutschland, in den USA und im arabischen Raum. Und überall scheint sich die Demokratie wieder durchsetzen zu können. Das ist die beste Nachricht dieses Jahres.


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Ein rötlicher Schein ums Weiße Haus in Washington
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