F Am Wahlabend in Frankfurt Oberburgermeister Feldmann und die unterlegene Bernadette WeylandEine Analyse des ersten Wahlgangs der Frankfurter Oberbürgermeisterwahl

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Viele Kinder mögen Barbie-Puppen; Erwachsene eher nicht. Diese Erkenntnis lässt sich auch auf die Politik übertragen.

Beispielsweise auf Ivanka, Tochter Donald Trumps, die bekannt ist für ihr blondes Haar, ihr hohles Grins-Lächeln und ihre Kleidung. Sie erfüllt nahezu sämtliche Eigenschaften, die man mit der Modepuppe verbindet; nämlich auf Kleidung, Frisur und Körperform fixiert zu sein. Ebenso wie die „sprechende“ Hello Barbie reproduziert sie lediglich vorformulierte Schablonen, die sich durch beängstigende Schlichtheit auszeichnen. Mit ihren intellektuellen Qualitäten vermag Ivanka tatsächlich nicht zu überzeugen. Selbst an und in ihrem Staatsamt (als Beraterin des Präsidenten) kann sie offensichtlich nicht wachsen.

Auch die Frankfurter OB-Kandidatin Bernadette Weyland erinnert irgendwie an das bei kleinen Mädchen beliebte Spielzeug. Im Wahlkampf gab sie sich betont jugendlich, zumindest hinsichtlich des äußeren Erscheinungsbilds. Aussagen von politischer Qualität sind jedoch nicht von ihr bekannt. Eher überraschte sie ihre Zuhörer mit Unkenntnis über die wirklichen Probleme der Stadt und mit Ressentiments gegenüber Armen, die sie in nassforscher Weise offenbarte. Einen solchen Eindruck scheint sie selbst bei traditionellen CDU-Anhängern aus dem konservativ-bildungsbürgerlichen Lager hervorzurufen, die ihr mutmaßlich die Stimme verweigerten und am Wahltag zu Hause blieben oder für andere Kandidaten stimmten.

So wird Frau Weyland auch bis zur Stichwahl am 11. März eine synthetische, auf ahnungslose Wähler zugeschnittene Figur bleiben. Dass ausgerechnet ein Mann mit rasch wechselnden Überzeugungen wie Ex-Kulturdezernent Felix Semmelroth, selbst Opfer interner Parteistreitigkeiten, ihre Niederlage schönredet, belegt den desaströsen Zustand der Frankfurter CDU.

Die Kandidatin der Grünen, Nargess Eskandari-Grünberg, zeigte sich überrascht von ihrem schlechten Ergebnis; mit 9,3 Prozent belegte sie Platz 3. „Ich bin enttäuscht – es ist aber auch schwer, gegen einen Amtsinhaber anzutreten, der permanent Wahlkampf macht“ kommentierte sie ihr Abschneiden. Ja, ja, das Leben ist hart und ungerecht, vor allem gegenüber jenen, denen es an politischem Sachverstand mangelt. Fazit: Der SUV-Flügel der Grünen scheint nicht mehr in der Lage zu sein, Persönlichkeiten fördern oder hervorbringen zu können.

Etwas anders liegt die Sachlage bei Janine Wissler, die mit 8,8 Prozent der Stimmen auf Platz 4 landete. Sie ist bekannt für ihre klaren Positionen in so lebensentscheidenden Bereichen wie Mieten, öffentlichem Verkehr, Fluglärm und Schulen. Dennoch bleibt die Entscheidung der Linken, sich mit einer eigenen Kandidatin an der Oberbürgermeisterwahl zu beteiligen, fragwürdig. Ging es der Partei lediglich darum, auf ihre Existenz hinzuweisen? Nur mit Symbolen kann man jedoch die herrschenden Verhältnisse nicht verändern. Vielmehr müsste man diesen ihre eigene Melodie vorspielen, wie man bei Marx & Engels nachlesen kann. Während den Christdemokraten der geistliche und weltliche Befreier Jesus verloren gegangen scheint, ist es bei den Linken anscheinend der praktische Marxismus.
Mutmaßlich wird ein Teil der Bürger, der Janine Wissler gewählt hat, in der Stichwahl für Peter Feldmann stimmen. Warum also nicht sofort? Die Linke hätte sich eine Zurückhaltung im Vorfeld belohnen lassen können, beispielsweise durch das verbindliche Versprechen eines öffentlichkeitswirksamen Amts in der Magistratshierarchie. Das wäre ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur demokratischen Revolution gewesen. So bleibt im Augenblick die Erkenntnis, dass bei der Linken zwar vieles gut gemeint ist, die Umsetzung der Ideale aber nach wie vor an mangelndem Bewusstsein und unzureichendem Können scheitert.

Peter Feldmann hat die absolute Mehrheit im ersten Wahlgang mit 46 Prozent der Stimmen knapp verfehlt. Hätten die Sympathisanten der Linken für ihn gestimmt, wäre der Erfolg perfekt gewesen. Jetzt muss er in die Stichwahl, aus der er voraussichtlich als endgültiger Sieger hervorgehen wird. Im Wahlkampf hat er wenig falsch gemacht. Seine Positionen waren eindeutig, er nahm Partei für Normalbürger und für Schwache. Tiefergehenden inhaltlichen Diskussionen wich er jedoch aus. Dass er die Retorten-Altstadt mit ihren Luxuswohnungen plötzlich gut findet, nimmt ihm keiner ab. Seinem Engagement für bezahlbaren Wohnraum fehlt die grundsätzliche Systemkritik, was sich beispielsweise in der Person seines Planungsdezernenten Mike Josef widerspiegelt. Es bleibt abzuwarten, ob Feldmann lernfähig bleibt. Falls ja, wäre er bei der Landtagswahl in viereinhalb Jahren natürlicher Spitzenkandidat der SPD; denn andere könnten so viel Erfolg nicht nachweisen.

Blamiert hat sich beim ersten Wahlgang die Stadtverwaltung mit ihrer völlig falschen Prognose über die Wahlbeteiligung. Noch bis zur Schließung der Wahllokale wurden 57 Prozent verlautbart. Schlussendlich lag sie bei lediglich 37,6 Prozent und war damit ähnlich niedrig wie vor sechs Jahren (37,5 Prozent).

Gravierender waren jedoch die Probleme bei der Zustellung der Wahlbenachrichtigungen. Mit der hatte die Stadtverwaltung den Postdienst „Main Versand“ beauftragt. Im Gegensatz zur Deutschen Post hat dieser jedoch nicht überall Zugang zu Häusern, in denen die Briefkästen hinter verschlossenen Türen angebracht sind. So fand mancher Empfänger seine Wahlunterlagen vor der Haustür abgelegt und wegen des Wetters völlig durchnässt vor. Oder sie wurden ihm von freundlichen Nachbarn übergeben, die sie in ihren eigenen Briefkästen vorgefunden hatten. In welcher Größenordnung die Benachrichtigungen in Mülltonnen landeten, lässt sich nur mutmaßen. Um geschätzte 25.000 Euro an Portokosten zu sparen, riskierte die Stadt das Vertrauen vieler Bürger – ein Skandal!

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Am Wahlabend in Frankfurt: Peter Feldmann und die unterlegen Bernadette Weyland
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