Drucken
Kategorie: Zeitgeschehen
kpm Die Einbahnstrase fur HackerDie Inhalte eines Geschäftsmodells

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Sollte tatsächlich jemand überrascht gewesen sein, als der Datenhandel zwischen Facebook und dem britischen Marktforschungsunternehmen Cambridge Analytica zu Gunsten des Kandidaten Trump bekannt wurde?

Verkäufe dieser Art wickelt das asoziale Netzwerk ständig ab, das entspricht seinem Geschäftsmodell und damit hat es einen riesigen wirtschaftlichen Erfolg, im Jahr 2017 belief sich dieser auf 40 Milliarden US-Dollar Umsatz. Ob die Abnehmer der Daten Konsumartikelproduzenten, Banken, Versicherungen, religiöse Sekten oder politische Parteien sind, ist dabei unerheblich. Ebenso wird nicht nachgefragt, welchem Zweck die Datentransfers dienen. Personenbezogene Daten werden von dem Unternehmen als normale Ware definiert.

Das entspricht möglicherweise dem US-amerikanischen Verständnis von ethischen Normen im Geschäftsleben. Bis vor ca. 153 Jahren, also bis zum Ende des Bürgerkriegs 1865, galt auch der Sklavenhandel in vielen Bundesstaaten als legales Geschäft. Und für den Verkauf von Schusswaffen spricht sich trotz regelmäßiger Massaker nach wie vor eine Mehrheit in der Bevölkerung aus. Offensichtlich bestimmt der Profit die Ethik und vielfach auch die Gesetze.

Facebook stellt seinen Nutzern ein Glashaus im Internet zur Verfügung, in welchem persönliche Eitelkeiten, politische und religiösen Überzeugungen und sonstige Vorlieben ausgestellt werden können und das zudem der jederzeit ungeschützten Binnenkommunikation in der Gruppe dient. Die Exhibitionisten bleiben nicht unerkannt, selbst dann, falls sie ihre Identität zu verschleiern suchen. Manche ahnen die Verstrickungen, auf die sie sich einlassen und plappern zu ihrer Entschuldigung vorfabrizierten Unsinn nach. Etwa die Phrase „Ich habe nichts zu verbergen“.

Fragt man dann zurück, ob das auch für Krankheiten, Einkünfte, Zahlungsverpflichtungen, Ehescheidungen, Nutzung von Pornoseiten im Internet oder Bußgeld- und Strafeinträge gelten würde, erntet man zumeist Empörung. Nein, so etwas würde man nie preisgeben. Aber exakt in diesem Punkt unterschätzt die Kundschaft die Kombinationsfähigkeit ihres geschäftstüchtigen Wohltäters. Die aus diversen Mosaiksteinchen erstellten Profile sind in der Regel sehr aussagekräftig und in der Wirtschaft, aber auch bei politischen Parteien, sehr begehrt.

Dennoch ist es eher unwahrscheinlich, dass die Nutzer annehmen könnten, es handele sich bei dieser Internetplattform um eine soziale, gar gemeinnützige Einrichtung, die auf eigene Kosten den Durchschnittsmenschen bekannt machen möchte. Denn Facebook ist nicht sozial, auch wenn es sich so nennt und die meisten Medien die Tarnbezeichnung „soziales Netzwerk“ wider besseres Wissen munter verbreiten. Facebook ist sowohl ein Datenkrake als auch ein investigativer Spurensucher, der überdies über einen exzellenten Vertrieb verfügt.

Facebook-Gründer Mark Zuckerberg hat vor dem Hintergrund des aktuellen Skandals Schwächen eingestanden und Besserung gelobt. Hinter dieser Absicht verbirgt sich jedoch eher der feste Entschluss, den Datenmissbrauch künftig auf eine Weise zu praktizieren, die nicht mehr Gefahr läuft, aufzufallen oder entdeckt zu werden. Denn das Geschäftsmodell lässt sich nur ändern, wenn Kosten und Rendite statt von den Datenkäufern von den Datenlieferanten (den Nutzern) aufgebracht würden. Dazu werden letztere nicht bereit sein und vermutlich würde die Mehrheit sich das auch finanziell gar nicht leisten können.

Die von der Europäischen Union und der Bundesregierung angekündigten Maßnahmen werden mutmaßlich ins Leere laufen. Denn die Lobbyisten, welche die Institutionen unterwandert haben, werden sich einem Systemwechsel mit aller Kraft entgegenstemmen. Zu umfangreich sind mittlerweile die Verflechtungen zwischen Datenspionen und Wirtschaft, als dass man nicht alles tun würde, um den Einzug demokratischer Spielregeln in ein vermeintliches Zukunftsgeschäft zu verhindern. Den einen und anderen EU-Kommissar wird man bestimmt als Bedenkenträger und Bremser gewinnen können. Ähnliches dürfte für Abgeordnete im EU-Parlament gelten. Und in Berlin dürften die Interessen kaum anders verteilt sein.

So bleibt nichts anderes übrig als Druck von unten zu erzeugen. Und zwar aus jenem Teil der Bevölkerung heraus, der sein kritisches Bewusstsein noch nicht verloren hat. Diese Bürger müssten an die Intendanten der öffentlich-rechtlichen Sender herantreten und sie auffordern: „Bitte beenden Sie unverzüglich die Präsenz ihrer Sender auf Facebook - ohne Wenn und Aber!“
Würde ein solcher Dominostein aus dem bisherigen Konsens in Sachen „sozialer“ Netzwerke herausbrechen, wäre das ein Signal, das weder in der Gesellschaft noch in Parlament und Regierung überhört werden könnte.

Foto:
Facebook – Die Einbahnstraße für Hacker
© Deutschlandfunk