mm die aktuelle aus 1995Aufarbeitung der Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg

Yves Kugelmann

Zürich (Weltexpresso) - Die Aufarbeitung der Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg begann mit einer massiven Geldforderung. Im Jahre 1996 stellte der damalige Präsident des Jüdischen Weltkongresses Edgar Bronfman eine Milliardenforderung in den Raum. Es war der Beginn der Schweizer Holocaust-Debatte. Die Geldforderung stand fortan vor der Aufarbeitung und vor allem der Tatsache, dass es eigentlich um Recht und Gerechtigkeit für die Opfer und das Bewusstsein einer Gesellschaft für historische Aufarbeitung ginge.

Es kam, wie es kommen musste: die Diskussion ums Geld prägte die Debatte. Die berechtigten Forderungen nach Restitution mündeten in Erpressungsvorwürfe. Das Geld stand im Vordergrund, und einmal mehr bediente die Art der Debatte alte Vorurteile von Geld und Juden. Rolf Bloch, Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds (SIG), begann vermittelnd einzuwirken und prägte die Formel von der Gerechtigkeit für die jüdischen Opfer und Fairness gegenüber der Schweiz.

Diese Debatte und Erfahrung im Rücken, begann der SIG die Forderung nach Sicherheit für die jüdische Minderheit in der Schweiz nicht mit der Forderung nach Recht auf Schutz, sondern der Forderung nach Geld. Einmal mehr bedienten Funktionäre jenes Vorurteil, ohne zuerst einer Öffentlichkeit die in Verfassung und Gesetzen verankerte Garantie von Schutz beziehungsweise die Metaebenen des Diskurses zu vermitteln. Die Debatte um die Sicherheit für jüdische Institutionen mündete in der Formel: Juden fordern Geld von Bund, Kantonen und Städten. Richtig wäre gewesen: Die jüdische Gemeinschaft fordert ihr Recht auf Schutz. Ob das letztlich heisst, dass Bund, Kantone und Städte jüdische Institutionen bewachen oder Mittel zur Verfügung stellen würden, wäre schon von Anfang an auf anderer Ebene zu diskutieren gewesen.

Der SIG ging 2015 nur unter dem Eindruck der Mordattacke auf die Satirezeitschrift «Charlie Hebdo» und einen Koscherladen in Paris unvorbereitet in die Debatte. Zuerst pfiff er die jüdischen Gemeinden zurück, die schon seit Jahren auf kantonaler und kommunaler Ebene erfolgreich und im langjährigen Direktkontakt Lösungen suchten oder bereits gefunden hatten. Gutachten folgten viel später, die Abklärung der Prozeduren oder Involvierung von Parlamentariern ebenso. Der zweite Anlauf, das Thema richtig in die Debatte einzubringen, war vor allem auch Dank der Unterstützung aus dem Central-Comité und somit Vertretungen der jüdischen Gemeinden erfolgreich. Seit der Reform dieser zweiten Kammer des SIG und der neuen Leitung hat das Gremium in den letzten Jahren einen entscheidenden Beitrag zur Professionalisierung von Diskussion und Aktion bewirkt.

In den nächsten Tagen und Wochen werden Schweizer Parlamente und die Arbeitsgruppe des Bundes die finanzielle Unterstützung für die Sicherheit der jüdischen Gemeinschaft bekannt geben. Dann müsste die eigentliche Aufklärungsarbeit des SIG beginnen, wenn diese Beteiligung nicht als monetäres, sondern rechtsstaatliches Prinzip ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gelangen soll. Vielleicht sogar mit einer diesmal richtigen Ausstellung und Publikation über die Geschichte der Juden in der Schweiz, den beschwerlichen Weg der Integration, die sogenannte Emanzipation und über die historische Aufarbeitung der Rechte von Minderheiten, die sich stets für das Allgemeinwesen eingesetzt haben.

Foto:
Der Schweizer Franken von 1995 ©24min.ch

Info:
Yves Kugelmann ist Chefredaktor der JM Jüdischen Medien AG.
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 13. April 2018