a Alexander GaulandDer AfD-Vorsitzende Gauland versorgt seine Klientel mit gezielten Provokationen

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Sein englisches Outfit vermag nicht darüber hinwegzutäuschen, dass Alexander Gauland kein Gentleman ist.

So muss er sich aus seiner Zeit als Leiter der Hessischen Staatskanzlei (und CDU-Mitglied) die Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung vorwerfen lassen (Gauland-Affäre von 1992). Und nicht erst, seit er die AfD mitgründete, lassen seine Worte und Taten darauf schließen, dass er zur Durchsetzung seiner erzreaktionären Ziele bewusst an die primitivsten Instinkte in bestimmten Bevölkerungsgruppen appelliert. Dadurch ist es ihm und seiner Clique gelungen, die Partei zur parlamentarischen Vertretung der verschiedensten Schattierungen des deutschen Pöbels zu machen.

Da diese mehrheitlich bildungsfernen Gesellschaftsschichten unfähig sind, am demokratischen Prozess teilzunehmen, bietet ihnen die „Alternative für Deutschland“ ein Forum zur Artikulation ihrer menschenverachtenden Vorurteile, die in extrem schlichte, aber gefährliche politische Forderungen münden. Würden sich Gauland und Weidel (um nur den Fraktionsvorstand der Bundestags-AfD zu nennen) in die übliche parlamentarische Arbeit einbringen, wären sie kaum dazu in der Lage, politische Schlagzeilen zu liefern. Denn sowohl sie selbst als auch ihre Anhängerschaft ist nicht detailversessen. Man kann aus ihren bisherigen Äußerungen schließen, dass sie allesamt zu differenzierten Auseinandersetzungen unfähig sind.

Gelegentlich mutet es sogar wie eine Satire an, wenn Alice Weidel sich jener NS-Phrasen bedient, die Victor Klemperer 1946 in seinem Buch „LTI“ (Lingua Tertii Imperii – Sprache des Dritten Reiches) ausführlich beschrieben hat. Bedenklich ist dann vor allem, dass die anderen im Bundestag vertretenen Parteien das nicht merken und sich ihre Empörung ausschließlich auf die falsch dargestellten Sachverhalte bezieht, mit denen Weidel ganz bewusst provozieren will.

Am Image einer antidemokratischen und nichtkultivierten Partei ändern auch die sich selbst als „Rechtsintellektuelle“ bezeichnenden Initiatoren einer neuen „konservativen Revolution“ nichts, die sich um die AfD herum gruppieren (Identitäre, Querfront, Institut für Staatspolitik mit ihren diversen Publikationen). Ähnlich wie ihre Vorgänger in den 1920er Jahren erweisen sie sich als zu eindimensional, um fachlich brillieren zu können. Sie sind und bleiben randständig, weil es ihnen an Intellekt, Talent und Moral mangelt. Und so taugen sie lediglich als „Führer“ und hoffen auf eine persönliche Karriere nach der herbeigesehnten „nationalen Wende“; notfalls auf Kosten ihres Fußvolks.

Wenn Alexander Gauland äußert, dass „Hitler und die Nazis nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte“ gewesen seien, kümmert ihn der Protest der anderen nicht. Denn er spricht mit solchen und ähnlichen Bemerkungen seiner Wählerschaft aus der Seele. Ohne solches Seelenfutter lässt sich der rechte Rand nicht bei Laune halten. Es gehört zum Brot-und-Spiele-Ritual der Neofaschisten, sich regelmäßig und bewusst über politische Korrektheit hinwegzusetzen (die neofaschistische Zeitung „Junge Freiheit“ gibt sogar einen Werbeaufkleber heraus mit dem Spruch „POLITICAL CORRECTNESS NEIN DANKE“). Wenn Gauland und Weidel sich nicht auskotzen, übernehmen Storch, Höcke oder Poggenburg.

Deswegen ist es falsch, sich mit der AfD in üblicher Weise, also ausschließlich argumentativ, auseinanderzusetzen. Ihre derzeitige Wählerschaft lässt sich dadurch nicht beeindrucken. Sie wird sich trotz jedes noch so eindeutigen Gegenbeweises als Opfer fühlen.

Sprechen wir also der parlamentarischen Vertretung des Pöbels die Legitimation ab. Denn eine demokratische Wahl allein reicht nicht aus, um ein Demokrat zu sein; es kommt auf die demokratische Gesinnung und Praxis an. Schließlich wurde auch Adolf Hitler demokratisch gewählt. Was danach kam, war mehr als ein „Vogelschiss“. Und das muss Konsequenzen haben – nicht nur in politischen Sonntagsreden.

Beispielsweise dadurch, dass dem rechten Rand nicht länger signalisiert wird, ein zwar umstrittener, aber erlaubter Bestandteil des demokratischen Spektrums zu sein. Aus der Erfahrung im Umgang mit Rechtsradikalen einschließlich Pegida weiß man längst, dass diese sich nur im Rudel sicher fühlen. Wer sich der öffentlichen Akzeptanz nicht mehr sicher ist, gar im persönlichen Gespräch und ohne Anwesenheit Gleichgesinnter begründen muss, warum er die AfD wählt, zieht sich zurück. Ein Beispiel dafür ist der Schriftsteller Uwe Tellkamp, dessen literarische Qualitäten immer zweifelhaft waren. Als seine Dresdner Gesinnungsfreunde Pegida salonfähig machten und schließlich mit anderen Rechten wie der einstigen DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld (derzeit CDU) die „Gemeinsame Erklärung 2018“ gegen Zuwanderung veröffentlichten, wagte er sich aus der Deckung. Doch mittlerweile weicht er wieder aus. Er hat keine Haltung, so wie seine Freunde sie auch nicht haben.

Foto:
AfD-Vorsitzender Alexander Gauland
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