Bildschirmfoto 2018 06 23 um 08.39.11Der Shabak-Geheimdienst hat vergangene Woche 20 Hamas-Mitglieder aus der Westbank-Stadt Nablus verhaftet, die mörderische Anschläge in ganz Israel geplant hatten

Jacques Ungar

Tel Aviv (Weltexpresso) - Die den Gazastreifen kontrollierende fundamentalistische Hamas-Organisation gibt sich gerne den Anschein, eine Gruppe mit einem soliden ideologischen Fundament zu sein, im Übrigen aber klare politische Richtlinien zu befolgen.

Dieses Image der Normalität, das wohl mehr dem Wunschdenken der Hamas im Gazastreifen und etwaiger Freunde aus der internationalen Szene entsprach als irgendeinem Bezug zur Realität, widerlegte Anfang Woche der israelische Inlandgeheimdienst Shabak deutlich.

20 Hamas-Mitglieder aus der Westbank-Stadt Nablus, seit Jahrzehnten der eigentlichen Kapitale des Westbank-Terrorismus, die tödliche Anschläge in ganz Israel geplant hatten – unter anderem ein Selbstmordattentat in Jerusalem –, sind nämlich verhaftet worden. Das gab der Shabak am Sonntag bekannt.


Anschläge vereitelt

In der Verlautbarung heisst es unter anderem: «In den letzten Monaten haben der Shabak, die israelischen Verteidigungsstreitkräfte und die Polizei des Landes eine Hamas-Terrorzelle aufgedeckt, die sowohl bezüglich ihrer Grösse­ als auch hinsichtlich ihres Aktivitätsradius­ aussergewöhnlich war. Die Zelle war in der Gegend von Nablus tätig.» Laut Shabak erstreckte sich die Aufdeckung der Zelle zeitlich von Oktober 2017 bis Ende des vergangenen April, als die Verhaftungen vor­genommen worden sind. An der Spitze der Zelle standen der 35-jährige Mutazem Muhammad Salem und der 33-jährige Fares Kamel Zavidi, beide aus Nablus. Insgesamt zählten über 20 Akti­visten zur Gruppe. Viele von ihnen waren mit der Hamas affiliiert, und einige von ihnen blickten auf eine lange Geschichte des terroristischen­ Wirkens zurück. Dazu gehörte nebst anderem das Herstellen von Sprengkörpern. Salem und Zavidi sollen zuständig gewesen sein für die Planung der Attentate. Zu diesen zählten ein Selbstmordbomben­­attentat in Jerusalem, je ein Bombenattentat in Tel Aviv und der Westbank-Siedlung Itamar sowie Schiessüberfälle in der ganzen nördlichen Westbank.

Dank der Verhaftung von Zellenmit­gliedern konnten diese Anschläge vereitelt­ werden – einige von ihnen nur wenige Minuten vor ihrer geplanten Durchführung. Während der Untersuchungen der Haupt- und verschiedener Nebenzellen entdeckten­ die Israeli verschiedene Explosivkörper, von denen einer eine Ladung von zehn Kilo Gewicht enthielt. Seine Zündung war per Fern­­steuerung mit einem mobilen Telefon möglich.­ Andere Spreng­­körper waren bis zu total 15 Kilo schwer. Einige der Sprengkörper wurden durch die israe­­lischen Sicherheitskräfte an Ort kon­trolliert zur Explosion gebracht.


Mörderische Absichten

Die Idee für die Anschläge folgte auf eine Konversation zwischen Zavidi und einem Mitglied der al-Nusra-Front in Syrien. Der al-Nusra-Mann soll Salem eine Belohnung von 100 000 Dollar für die Herstellung einer Bombe und deren Detonation in der Nähe einer israelischen oder IDF-Einrichtung versprochen haben. Salem wurde unter anderem der Kontakte mit einem feindlichen Agenten, des versuchten Mordes, der illegalen Herstellung und des Transportes eines Sprengsatzes, der Zugehörigkeit zu einer Terrorgruppe und des Imports von Terroristengeldern in die Westbank und der Behinderung des Rechtswesens beschuldigt. Die anderen Zellenmitglieder dürften in nächster Zukunft angeklagt werden.

Ein hochrangiger Shabak-Offizier gab folgende Lagebeurteilung nach der Veröffent­lichung der verschiedenen Details ab: «Dieser Fall zeigt erneut den Wunsch und die Bemühungen, welche die Hamas in den Aufbau terroristischer Infrastrukturen in der Westbank investiert, im Bestreben der Durchführung schwerwiegender Attacken in Israel.» Die Hamas trachte auch danach, Anschläge gegen israelische Ziele auszuführen, um die relative Ruhe zu gefährden. Schwere Attacken und der Verlust an Menschenleben hätten verhindert werden können. Wörtlich sagte der Shabak-Offizier: «Zusammen mit unseren Partnern in den IDF und in der Polizei sind wir entschlossen, entscheidende Aktionen zu ergreifen, um die mörderischen Absichten der Hamas zu vereiteln. Mitglieder der Infrastruktur werden gemäss den geltenden Gesetzen behandelt.»


Spektakulärer Fall

Verständlich, dass israelische Politiker sich die Gelegenheit nicht entgehen liessen, aus dem spektakulären Fall das maximale Kapital zu ihrer eigenen Imagepflege zu schlagen. In einer Erklärung nach der Veröffentlichung der Einzelheiten erklärte etwa Premier­minister Binyamin Netanyahu, die Verhaftung der Hamas-Zellenmitglieder unterstreiche Israels­ Notwendigkeit, die Sicherheitskon­trolle über die ganze Westbank aufrechtzu­erhalten. «Shabak, IDF und die israelische Polizei haben eine Hamas-Terrorzelle aufgedeckt, die versucht hatte, Sprengstof­fanschläge in Jerusalem und Tel Aviv von Nablus innerhalb Judäas und Samarias auszuführen.» Die Hamas sei bestrebt, dies von Gaza und Judäa und Samaria aus zu steuern, unterstrich der Regierungschef. Noch immer will keiner der Kontrahenten die Situation offiziell eskalieren­ lassen. Mit der sichtlichen punktuellen Verschärfung des Konflikts (vgl. auch Kasten «Drachenkrieg») zwischen den IDF-Truppen und der Hamas des Gazastreifens aber könnte in absehbarer Zukunft der Moment kommen, an dem den Entscheidungsträgern hüben und drüben die Kontrolle über das Geschehen entgleitet.

Foto:
Die den Gazastreifen kontrollierende fundamentalistische Hamas-Organisation plante tödliche Attacken in ganz Israel
© tachles

Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 20. Juni 2018