a david renanDavid Ranans Buch „Muslimischer Antisemitismus“ dementiert dessen Existenz, Teil 2/2

Matthias Küntzel

Hamburg (Weltexpresso) - Dieses für Renan überraschende Ergebnis seiner Befragungen hätte für ihn eigentlich Anlass sein müssen, seine Grundannahme zu hinterfragen. Dies aber tut er nicht, sondern wirft überraschend eine andere Frage auf: „Sind ... die Aussagen meiner muslimischen Interviewpartner Belege dafür, dass sie wirklich Antisemiten sind, oder haben sie vielleicht Recht, wenn sie an jüdisches Geld, jüdische Macht und jüdische Verschwörungen glauben?“[9] Ja, erklärt uns Ranan, sie haben Recht.

So könne man zum Beispiel die Behauptung, Juden würden „,Kontrolle über die US-Regierung‘ [und] ,Kontrolle über das Weltgeschehen‘“ ausüben, „nicht notwendigerweise als Vorurteil“ betrachten, nähmen doch die jüdische Milliardäre Haim Saban und Sheldon Adelson Einfluss auf die Politik der USA.[10]

Ebenso sei es verständlich, „wenn einige der Meinung sind, dass Juden viel oder vielleicht zu viel Einfluss haben. Diese Meinung kann man auch ohne jegliche antijüdischen Ressentiments teilen.“

Renan sucht selbst die Aussage „Viele Juden versuchen, aus der Vergangenheit des Dritten Reiches heute ihren Vorteil zu ziehen“, zu verteidigen: „Versucht ... nicht jeder, wo immer es geht, Vorteile zu ziehen?“[11]

Ein ums andre Mal attestiert er dem Antisemitismus einen faktisch zutreffenden, rationalen Kern. Er klammert die Tatsache, dass Antisemitismus mit dem Tun oder Lassen einzelner oder aller Juden nichts zu tun hat, aus. Er will nichts davon wissen, dass sich Antisemiten nicht am Verhalten von Juden stören, sondern an deren Existenz. Stattdessen will er beweisen: seine muslimischen Gesprächspartner haben Recht und die Juden Schuld.

Selbst für das Phantasma, „das alles, was böse ist oder als böse gesehen wird, jüdisch sei“, zeigt Renan Verständnis.

Als Beispiel gilt ihm die Behauptung, der IS-Führer Abu-Bakr al-Baghdadi sei Jude. „Für einige [Muslime] ist die Idee, dass der IS-Führer Jude sei, die nötige und erleichternde Erklärung für die Bosheit der Organisation, die von sich selbst behauptet, den wahren Islam zu repräsentieren.“[12] Für bestimmte Muslime sei es also „nötig“ und „erleichternd“, hinter allem Bösen den Juden zu sehen? Hier schlägt Renans Parteinahme in wohlmeinenden Rassismus um; hier konstruiert er einen „homo islamicus“, der einfach nicht anders kann. Oder würde Renan bei deutschen Anhängern Adolf Hitlers genauso argumentieren?

Renan leugnet nicht, dass es einen gefährlichen Antisemitismus unter Muslimen gibt. Bei ihm kommt dieser jedoch nur im islamistischen Lager, also bei einer „kleine(n) Minderheit“, vor.[13] Wenn sich hingegen die Mehrheit der nicht-islamistische Muslime aufgrund des konkreten Streits um Palästina antiisraelisch oder antizionistisch äußert, kann, so Renan, von Antisemitismus keine Rede sein. Selbst dann, wenn sich Muslime in Reaktion auf den Nahostkonflikt eindeutig antijüdisch äußerten und Parolen wie „Jude, Jude, feiges Schwein“ skandierten, sei kein Antisemitismus im Spiel. Renan: „Wenn heute ein Araber ,Tod den Juden‘ schreit, meint er damit die Israelis. Solche Sprüche sind zwar schrecklich, aber keineswegs antisemitisch.“[14]


Stimmt das „Zentrum für Antisemitismusforschung“ zu?

Das eigentliche Problem sind nicht die abstrusen Setzungen Ranans. Das eigentliche Problem ist die Tatsache, dass sein Buch wie die Faust aufs Auge zum Zeitgeist passt.

Hätte Renan die rassistischen Äußerungen autochtoner Deutscher derart einfühlend kommentiert, wie er dies beim Antisemitismus von Muslimen tut – es hätte einen Aufschrei der Empörung gegeben. Hier aber nimmt jemand im Duktus des Anti-Rassismus Muslime in Schutz. Dieser Schutzreflex liegt in einer Zeit, in der sich der antimuslimische Rassismus einer AfD als salonfähig erweist, im Trend. Wer möchte unter diesen Umständen den Vorwurf der „Islamophobie“ riskieren und den islamischen Antisemitismus untersuchen? Da kommt ein Autor, der das Problem herunterspielt oder ganz ad acta legt, wie gerufen. Handelt es sich, wie bei Renan, auch noch um einen jüdischen, ergo: unverdächtigen, ist er ganz besonders willkommen.

Diesem Zeitgeist scheint auch das Berliner Zentrum für Antisemitismusforschung zu frönen. Das Zentrum bezeichnet Renan als ihren „Fellow“, stellte oder stellt ihm ein Büro zur Verfügung und organisierte im April 2018 an der Technischen Universität Berlin eine Veranstaltung, um Renans Buch zu präsentieren. Von einer kritischen Äußerung über diese Schrift war von der Direktorin des Zentrums oder deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bislang nichts zu hören.


ANMERKUNGEN

[9] Renan, a.a.O., S. 150.

[10] Renan, a.a.O., S. 65.

[11] Renan, a.a.O., S. 75.

[12] Renan, a.a.O., S. 121.

[13] Ranan, a.a.O., S. 206.

[14] Politologe David Ranan: ,Die große Angst ist übertrieben‘, in: Aachener Zeitung, 6. April 2018.

Foto:
© renandavid.zip.net

Info:
David Ranan
MUSLIMISCHER ANTISEMITISMUS
Eine Gefahr für den gesellschaftlichen
Frieden in Deutschland?
224 Seiten
Klappenbroschur
Verlag J.H.W. Dietz Nachf.
19,90 Euro
ISBN 978-3-8012-0524-9
Erscheinungstermin: März 2018

Abdruck mit  freundlicher Genehmigung des Autors. Erstveröffentlichung in mena-watch am 22. Juni 2018