kpm Hass Postkarte des H.J.Sch. vom 03.07.2018Aus dem „Neuen Wörterbuch des Unmenschen“, Teil 1

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – „Heute schützt Euch noch die regimedevote Justiz, morgen nicht mehr!!! Wenn der AfD-inspirierte Volkszorn erwacht, werdet Ihr hinweggefegt + zur Verantwortung gezogen!“

So beginnt der nunmehr 24. Hass- und Drohbrief eines erklärten AfD-Sympathisanten und Pöblers, der mich und andere, die sich öffentlich gegen Rechtsradikalismus äußern, regelmäßig traktiert. Erst am 28. Juni war er vom Amtsgericht Frankfurt am Main zu einer hohen Geldstrafe wegen Beleidigung in mehreren Fällen verurteilt worden. Gegen das Urteil wird er mutmaßlich Berufung einlegen. Doch bereits im Gerichtssaal hatte er angekündigt, seine Droh- und Diffamierungskampagne fortsetzen zu wollen.

Denn er nimmt sich das Recht heraus, gegen (aus seiner Sicht) unpatriotische, antinationale, prosozialistische sowie prokommunistische Gegner agitatorisch vorgehen zu dürfen. Die Sortierung der Einzelnen zu den Gruppen der Auszusondernden nimmt er, der sich im Besitz nationaler Allmacht wähnt, selbst vor; sein Handeln erweckt den Eindruck einer Vorab-Selektion. Wenn der politische Wind sich gedreht hat (was er permanent ankündigt), werden die dann Mächtigen mutmaßlich wissen, was sie zu tun haben. Er hat die notwendige Vorarbeit geleistet und seine Pflicht getan.
Auch Alice Weidel (AfD) hat unlängst im Bundestag zur Jagd geblasen (gegen die Bundeskanzlerin, gemeint waren - ihrer Rhetorik und Mimik zufolge - alle Demokraten). Diese Jäger meinen es ernst.

So ernst, wie auch Horst Jürgen Sch. seine Mission nimmt. Dessen Auftritt vor dem Amtsgericht verstörte manchen Zuhörer, vor allem jene, die mit den Hintergründen weniger vertraut waren. War das eine Realsatire oder inszenierte sich ein selbsternannter Volks(ver)führer?

Der Angeklagte bestritt in der Sache eigentlich nichts, postulierte indes ein angebliches Recht, alles, was antideutsch und antipatriotisch sei, brandmarken und beleidigen zu dürfen. Selbst während der Verhandlung gab er zu erkennen, dass ihm nicht an einer demokratischen Streitkultur gelegen ist. Immer wieder unterbrach er die Zeugen, deren Strafanträge zum Prozess geführt hatten. Als ich aus einer seiner Schmähschriften die Attribute, mit denen er mich bedacht hatte, zitierte („KPD-Freund, Hasser, Hetzer, Bolschewisten-Poussierer, Heuchler, Lügner, Patriotenbesudler, Verfassungsfeind, Nationalverräter, Hochverräter, Freund von Mördern und Drecks-Kommunisten, Demokratiefeind, Rotnazi, Schreibtischtäter"), bekräftigte er seine Diffamierungen. „Genau ein solcher ist er!", rief er in den Saal.

„Schreibtischtäter“ bezieht sich auf die Bemerkung einer Richterin beim Amtsgericht in Limburg an der Lahn, die ihn im Juli 2017 so charakterisierte und wegen ähnlicher Beleidigungen zu einer Geldstrafe verurteilte. Ich hatte dies in Weltexpresso vom 10. Juli 2017 thematisiert (https://weltexpresso.de/index.php/zeitgesehen/10302-ein-schreibtischtaeter). Während „Freund der Mörder“ die Überschrift meines Artikels in Weltexpresso vom 29. Juli 2017 war (https://weltexpresso.de/index.php/zeitgesehen/10475-ein-freund-der-moerder). Und ich stehe dazu. Denn wer den Terror des NS-Staats einschließlich der insgesamt 50 Millionen Todesopfer verharmlost oder leugnet, muss es sich gefallen lassen, ein „Freund der Mörder“ genannt zu werden. Alles andere wäre eine Umkehrung aller moralischen Maßstäbe.

Als die Verhandlung zu Ende war, sagte er "Auf Wiedersehen" zum Richter, zeigte diesem einen "Vogel" (was der anscheinend nicht sah) und schrie danach die Staatsanwältin an: „Sie werde ich wegen Beleidigung anzeigen!"

Die mittlerweile 24 Hass- und Drohbriefe, die mich seit August 2016 erreichten, setzen sich jeweils aus Kopien von Artikeln zusammen, die in rechtradikalen Schriften veröffentlicht wurden. Horst Jürgen Sch. versieht diese mit persönlichen Marginalien. In der Gesamtschau ergibt sich eine Art „Reader’s Digest“ des Rechtsradikalismus, in welchem die AfD stets einen besonderen Stellenwert genießt. Ich habe damit begonnen, diese Pamphlete thematisch zu sortieren, zu analysieren und zu kommentieren. So entsteht ein „Neues Wörterbuch des Unmenschen“, das geeignet sein könnte, dasjenige von Dolf Sternberger, Gerhard Storz und Wilhelm E. Süskind aus den Jahren 1945 – 1948 fortzuführen.

Foto:
Postkarte des Horst Jürgen Sch. an den Autor

Info:
Redaktionelle Nachbemerkung
Auch die Redaktion des Weltexpresso und ein weiterer Autor werden mit solchen Sendungen überzogen - bei uns sind es allein Briefe, deren Umschläge allerdings genauso aussehen wie die abgebildete Postkarte.
In der Kunstgeschichte nennt man Bilder, die nirgends mehr Platz lassen "horror vacui", eine Angst vor der Leere. Sie finden sich insbesondere in der "Kunst der Geisteskranken", was vielfältig dokumentiert ist und wofür zuvorderst der Schweizer Adolf Wölfli steht. Beispiele sieht man gehäuft in Gugging/Klosterneuburg bei Wien, wo die Werke der Insassen als 'Art brut' in einem Museum gezeigt werden, das dem entspricht, was in Heidelberg der Psychiater Hans Prinzhorn schon nach dem ersten Weltkrieg sammelte und ausstellte, was noch heute zu sehen ist.
Was die Belästigung durch die Sendungen angeht, die eine Unverschämtheit sind und die an nur aushält, wenn man sie überhaupt nicht zur Kenntnis nimmt und auch nicht aufmacht,unterstützt der Absender damit wenigstens die Deutsche Post.