kpm Der SPD Landesvorsitzende Thorsten Schafer Gumbel eroffnet den Landtagswahlkampf 2018Das SPD-Schattenkabinett zur hessischen Landtagswahl

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Der hessische SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel stellt derzeit sein Schattenkabinett für die Landtagswahl am 28. Oktober zusammen.

Doch einige der bislang öffentlich Vorgestellten dürften dem überwiegenden Teil der Wähler unbekannt sein. Beispielsweise Henning Harnisch, Vizepräsident des Basketball-Vereins Alba Berlin, Hans-Joachim Rosenbaum, Regionalleiter der IG Bau oder die Hochschulprofessorin Tanja Brühl. Deren jeweilige fachliche Kompetenz soll nicht bestritten werden. Doch welche politischen Positionen nehmen sie ein? Verkörpern sie den sozialdemokratischen Mainstream á la Andrea Nahles, der die SPD dauerhaft auf unter 20 Prozent Stimmanteil drückt? Oder ist Deutschlands älteste Partei zumindest in Hessen in der Lage, sich aus sich selbst heraus zu erneuern? Schäfer-Gümbel lässt die Hessen darüber im Unklaren. Dabei sollte er während der letzten zehn Jahre und nach zwei Niederlagen eigentlich gelernt haben, dass ein Aha-Effekt sofort eintreten muss. So wie ein guter Witz keiner nachträglichen Erklärung bedarf.

Wähler müssen bekanntlich nicht nur von Programmen, zumeist auf Slogans reduziert, überzeugt werden, sondern auch - und vor allem - von Persönlichkeiten, die bestimmte Inhalte repräsentieren. Idealerweise kommen dafür solche infrage, die bislang in vorderster Reihe für die Ziele der Partei stritten und dabei einem breiten Publikum bekannt geworden sind.

So sollte ein künftiger Bau- und Wohnungsminister (Frau oder Mann) durch erfolgreiche Aktionen gegen Immobilienspekulanten und Miethaie bekannt geworden sein; ein künftiger Innenminister sich in der Doppelrolle von Bürgerrechtler und Schutzmann profiliert haben – die entsprechend nominierte Generalsekretärin Nancy Faeser ist zwar Juristin und mit dem Politbetrieb gut vertraut, aber ihre Kompetenzen könnten sich angesichts der zu lösenden Probleme allenfalls als Sekundärtalente erweisen. Und einem Wirtschaftsminister in spe sollte der Ruf vorauseilen, Unternehmen nach Umweltverträglichkeit und Innovationsfähigkeit ihrer Produkte, der Zahlung von Tariflöhnen sowie nach Steuerehrlichkeit zu beurteilen. Von einem Kultusminister darf erwartet werden, dass er der seit Jahr und Tag dahindämmernden eindimensionalen Bildungspolitik offensiv entgegentritt – als Enzyklopädist von goetheschem Ausmaß, als leidenschaftlicher Literatur- und Theaterliebhaber sowie als detaillierter Sachkenner in sämtlichen Fragen, die das Schulwesen betreffen. Das Wissenschaftsministerium dürfte nur von jemanden geführt werden, dem klar ist, dass Digitalisierung im Kopf beginnt, mit Smartphones nur am Rande zu tun hat und nicht den Eigeninteressen der Wirtschaft unterworfen sein darf (z.B. denen von dissozialen Netzwerken wie Facebook). Nicht zuletzt müsste die Leitung des Sozialministeriums ein deutliches Signal dafür sein, dass die Agenda-Politik der SPD zumindest in Hessen ein für alle Mal beendet ist und der Neoliberalismus in der Finanzmetropole Frankfurt keine Zukunft mehr haben wird.

Wenn man einmal von Günter Rudolph absieht, dem parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, der sich als verlässlicher Parteiarbeiter einen Namen machte und eigentlich zum Chef der Staatskanzlei taugte (aber für das Verkehrsministerium vorgesehen ist), vermag die bislang bekannt gewordene Personalliste selbst einen gut informierten Wähler nicht zu überzeugen.

Vielmehr vermittelt sie den Eindruck, dass Schäfer-Gümbel niemanden findet, der hinreichend profiliert ist und er deswegen auf Männer und Frauen ohne ausgewiesene politische Eigenschaften setzen muss. Hier rächt sich, dass die hessische SPD nach dem von Jürgen Walter, Dagmar Metzger, Carmen Everts und Silke Tesch verursachten Debakel von 2008 den rechten Flügel im Prinzip unangetastet ließ, keinen echten Neuanfang wagte und folglich als Opposition konturlos blieb.

Thorsten Schäfer-Gümbel muss sich außerdem vorwerfen lassen, nach den Protesten gegen die Eröffnung der EZB am 18. März 2015 nicht zwischen friedlichen Demonstranten und gewalttätigen Randalierern unterschieden zu haben. In demagogischer Weise beschuldigte er den Abgeordneten der Linken, Ulrich Wilken, der die friedlich verlaufene Demonstration auf dem Römerberg, die nachmittags stattfand, angemeldet hatte, der Komplizenschaft mit Rowdies. Diese hatten am frühen Morgen im Bereich der Frankfurter Flößerbrücke Polizisten, Feuerwehrleute und Sanitäter angegriffen und Fahrzeuge in Brand gesetzt. Obwohl seine Kenntnisse über die Vorgänge aus zweiter und dritter Hand stammten, ließ sich der SPD-Vorsitzende faktisch vom politischen Gegner instrumentalisieren. Mutmaßlich deswegen, weil er in keinen inhaltlichen Zusammenhang mit den Protesten gebracht werden wollte. Denn auf dem Römerberg hatten mehrheitlich Gewerkschafter, die der SPD nahestanden, einer EU-Finanzpolitik widersprochen, welche Großbanken und in diesem Zusammenhang eine Umverteilung von unten nach oben unterstützt. Schäfer-Gümbel galt während der Amtszeit des SPD-Bundesfinanzministers Peer Steinbrück (2005-2009), als dessen Vertrauter. Steinbrück hatte die Bankenrettung (Hypo Real Estate, IKB Deutsche Industriebank, SachsenLB, Bayern LB, Commerzbank) durch Steuermittel befürwortet. Schäfer-Gümbel, der auch dem SPD-Bundesvorstand angehört und dort für Finanzfragen zuständig ist, hat bis heute keine grundsätzliche Kritik am europäischen Banken- und Währungssystem geäußert.

Der Wähler, der seinen staatsbürgerlichen Auftrag ernst nimmt, muss sich erneut zwischen mehreren Übeln statt zwischen echten Alternativen entscheiden, wodurch die Politikverdrossenheit weiter zunehmen dürfte.

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Der hessische SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel startet im November 2017 den Landtagswahlkampf seiner Partei
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