p gunther adler bmi bundDer Fall Hans-Georg Maaßen, Teil 2/2

Claudia Schulmerich und Manfred Schröder

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Der gesamte Vorgang hat etwas Unappetitliches. Das spürt jeder. Das spüren auch die, die nicht Freunde der Linken sind, nicht mal die der SPD. Aber sie spüren, daß auf Seiten des Bundesinnenministers Amtsmißbrauch vorliegt, denn er benutzt sein Ministerium und dessen Beamte und Angestellte wie ein Großgrundbesitzer früher seine Leibeigenen. Rein und raus, wie es gefällt. Dabei hatten damals sogar die Lehnsherren klare Pflichten und die Leibeigenen eigene Rechte.

Amtsmißbrauch? Damit meinen wir die durch Minister Seehofer vorgenommene künstliche Ruhestandsversetzung eines aktiven Staatssekretärs im Bundesinnenministerium, wo ein Bauressort den Wohnungsbau voranbringen soll, also ausgerechnet die Entfernung des zuständigen Bau-Staatssekretärs, der in diesen Tagen besonders in Erscheinung trat, da er hier in Frankfurt in der Paulskirche den Bundeskongreß Nationale Stadtentwicklungspolitik am Montag der Woche eröffnet hatte. Der 55 Jahre alte Bau-Staatssekretär Gunther Adler, noch dazu SPD-Mitglied, mußte weichen, damit für denjenigen, der eigentlich in den Ruhestand hätte versetzt werden müssen, eine angemessene Beamtenstelle im Ministerium frei wird. Konkret: der dann ehemalige Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen, dessen monatliches Gehalt nach öffentlichen Angaben 11.500 Euro betrug, wird ob seiner Unfähigkeit und politischen Dummheit/Gefährlichkeit befördert und erhält zukünftig 14. 000 Euro. Das ist schon irre genug, aber dazu könnte man noch sagen: das ist nur Geld. Maaß bekommt als Staatssekretär aber die Zuständigkeit für Sicherheit. Wie? Genau diese Sicherheit der Bevölkerung der Bundesrepublik hat doch dieser angebliche Verfassungsschützer gefährdet. Dafür hätte schon seine Nonchalance gegenüber der NSU und ihren Morden gelangt. Wie kann es das geben, daß ein ordentlich geführter Verfassungsschutz dessen Treiben nicht mitbekommen hätte? Und es hätte auch die Verlogenheit im Fall Amri gelangt, wo Maaßen alle belogen hat. Diese politische Abgeschmacktheit einer Beförderung, während die Welt auf die Bestrafung wartet, ist so irre, weil es dem gesunden Menschenverstand, den wir nicht gerne anziehen, absolut widerspricht, daß ein gefährlich Unfähiger nach oben aufsteigt und ein Fähiger dafür seinen Hut nehmen muß.

Ich kenne außer einem jungen CDU-Schnösel, der im ZDF bei der Runde von Lanz am Dienstag, 18. September, diese Versetzung verschämt gut hieß, niemanden, der darüber, nämlich über solche Peinlichkeiten, nicht das Gesicht verzog. Auch den hiesigen CDU-Leute schmeckt das nicht. Und welch negative Wahlhilfe dieser Seehoferirrsinn für die Bayerische Landtagswahl bedeutet, da kann einem inzwischen der Hans-Dampf Markus Söder schon fast leid tun. Aber, wir wollen nicht übertreiben. Wirklich leid tut einem das politische Gewissen und all die Aufrechten, die Tag für Tag sich abmühen, in diesem Land für Gerechtigkeit zu sorgen und denen zu helfen, denen es aus unterschiedlichen Gründen in diesem reichen Land schlecht geht.

Was für eine Farce. Aber, weil das so offensichtlich ist, mag man auch kein weiteres Wort zu solchem Vorgang äußern. Muß aber viele Worte zu den Folgen finden. Wenn der Frankfurter Planungsdezernent Mike Josef sofort äußert: „‚Schwerer Schlag für Anstrengungen im Bereich bezahlbares Wohnen‘, dann weiß er wovon er spricht. Ist es doch die Wohnsituation, die derzeit für Bundesdeutsche das größte Problem darstellt. Wer jung geheiratet hat und eine kleine Wohnung bezogen hat, dann, was die Gesellschaft ja will und braucht, Kinder bekommen hat, findet in den Zentren – aber auch schon länger in ländlichen Gebieten - keine bezahlbare Familienwohnung. Es sei denn, beide sind Banker oder Ärzte oder Rechtsanwälte, aber auch bei denen gibt es welche, die für die reichlich erhältlichen Luxuswohnungen nicht genug Geld verdienen. Mit einem Wort, es geht um bezahlbares Wohnen.

Und weil das ebenfalls die große gesellschaftspolitische Aufgabe vom Planungsdezernenten der Stadt Frankfurt ist, wo der massive Bevölkerungszuwachs auf zu wenig Wohnraum stößt, hat er mit „großem Bedauern und tiefer Enttäuschung“ die Nachricht von der Versetzung des Bau-Staatssekretärs Gunther Adler in den einstweiligen Ruhestand vernommen: „Die Absetzung dieses ausgewiesenen Fachmanns ist ein schwerer Schlag für unsere Anstrengungen, mehr bezahlbaren Wohnraum in den Großstädten zu schaffen. Adler war in den letzten Jahren der Experte und Ansprechpartner in Berlin für das Thema Wohnen und hat sich mit dem Aufbau des ‚Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen‘ über alle Parteigrenzen hinweg einen Namen gemacht. Ein unprätentiöser Fachmann, dem es immer um die Aufgabe ging und nicht um parteitaktische Spielchen.“

Adlers Expertise war zunächst auch beim zuständigen Fachminister gefragt, der ihn als Staatssekretär für den Bereich Bauen in sein Ministerium geholt hatte. Zudem war Adler mit der Vorbereitung des Wohngipfels am Freitag, 21. September, im Bundeskanzleramt betraut. „Dass ein solcher Fachmann zwei Tage vor dem groß angekündigten Wohngipfel vom Bundesbauminister in den einstweiligen Ruhestand versetzt wird, das ist aus meiner Sicht nicht nachvollziehbar“, sagt Josef. Wir meinen, daß das noch sehr höflich ausgedrückt ist. ‚Nicht nachvollziehbar‘ ist für solches stümperhafte Regieren sogar der falsche Ausdruck. Es ist gesellschaftspolitisch unverantwortlich, was Innenminister Seehofer hier treibt.

Erst vor zwei Tagen hatte Adler den Bundeskongress Nationale Stadtentwicklungspolitik in Frankfurt eröffnet, die wichtigste und größte Tagung zu Stadtentwicklung und Wohnen in Deutschland. Innenminister Seehofer, der ja der zuständige Bundesbauminister ist, hatte seine Teilnahme und die geplante Rede am Dienstagvormittag in der Paulskirche kurzfristig abgesagt. Da konnte er die von ihm selbst inszenierten politischen Aufregungen in Berlin vorschieben, dieser Biedermann, der ein Brandstifter ist, während sich in Frankfurt der politische Protest gegen seine Worte und sein Handeln auf der Straße – so friedlich wie deutlich – manifestierten. Denn unter dem Motto SEI KEIN HORST und auch HER MIT DER DEMOKRATIE hatten Aktivisten des Bündnisses SEEBRÜCKE, die gegen Seehofers Politik gerichtete Großdemo trotz dessen Abwesenheit durchgezogen und sogar für eine Nacht die Paulskirche besetzt und mit Fahnen bestückt, was durch gegenseitige (OB und Besetzer) Absprachen, die eingehalten wurden, nicht nur friedlich, sondern auch ohne Beschädigungen und Müll zu Ende ging.


Foto:
Der von Seehofer in den Ruhestand abgeschobene Staatssekretär Gunther Adler im Bundesministerium des Inneren
© bmi.bund.de