Bildschirmfoto 2019 01 29 um 03.45.32Israels Binyamin Netanyahu auf politischer Tour 

Jacques Ungar

Tel Aviv (weltexpfresso) - Der israelische Premier Binyamin Netanyahu verhandelt mit diversen Staatsmännern in afrikanischen Staaten südlich der Sahara – es stellt sich die Frage, ob dies eine bewusste Wahlkampfstrategie ist.

Historiker werden dereinst möglicherweise einen Zusammenhang sehen können zwischen Israels unaufhaltsamem diplomatischem Rückmarsch nach Afrika südlich der Sahara und dem derzeitigen Kampf Binyamin Netanyahus ums politische Überleben im Rahmen des Wahlkampfs vor dem Urnengang vom 9. April. Heute muss der Medien-Normalverbraucher sich damit begnügen, diesen Rückmarsch Israels nach Afrika nach jahrzehntelanger Abwesenheit als Tatsache hinzunehmen. Er kann den Fakt begrüssen oder ablehnen, doch die Ereignisse im Feld sprechen eine klare Sprache. Für den Premier sind sie tatsächlich beeindruckender und erfolgversprechender als Dutzende Wahlinserate.

Ein Trend wird wiederbelebt

Der Trend begann 2016, als die weitgehend muslimische westafrikanische Republik Guinea die 1967 abgebrochenen diplomatischen Beziehungen zu Israel erneuerte. Das war erst die Ouvertüre zu dem, was sich jetzt zwischen Israel und Afrika abspielt. Keine 24 Stunden nachdem am Sonntag Netanyahu und der Präsident von Tschad Idriss Déby in N’Djamena die 1972 abgebrochenen Beziehungen offiziell wieder aufgenommen haben, laut Netanyahu «ein Durchbruch ins Herz der muslimischen Welt», machte eine weitere potenzielle Erfolgsmeldung, die gleiche Region betreffend, die Runde: Laut Angaben israelischer Offizieller vom Montag bereitet Israel den Besuch von Premier Soumeylou Boubèye Maïga von Mali in den kommenden Wochen vor. Logischerweise hofft Netanyahu, dass die Visite noch vor dem 9. April stattfinden wird, wenn Israel die 21. Knesset wählt. Das Jerusalemer Aussenministerium – der Aussenminister ist bekanntlich Netanyahu selber – wollte die Meldung zunächst nicht kommentieren. Mali hatte die diplomatischen Beziehungen zu Israel 1973 im Anschluss an den Jom-Kippur-Krieg abgebrochen. Letztes Jahr hatte Netanyahu Ibrahim Keita, den Präsidenten des westafrikanischen Landes Mali, am Rande einer Gipfelkonferenz in Liberia getroffen. Dabei kam man überein, die Beziehungen «aufzuwärmen». Mit einer Einwohnerzahl von 18,4 Millionen ist Mali leicht grösser als Tschad, doch ähneln die beiden Staaten sich insofern, als dass auch in Mali mit 95 Prozent der Gesamtbevölkerung der Löwenanteil der Einwohner muslimisch ist. Laut israelischen Berichten ist das muslimische Land Niger, ein Staat mit 20 Millionen Einwohnern, ein weiterer Normalisierungskandidat, was die Beziehungen zu Israel betrifft.

Netanyahus Vor- beziehungsweise Rückmarsch nach Afrika – er selber besuchte den Kontinent innert zweier Jahre immerhin drei Mal – könnte tatsächlich im Hinblick auf die bevorstehenden Wahlen ein Aktivposten sein im Kampf des Premierministers und seiner Rechtskoalition um deren politisches Überleben. Der Regierungschef selber por­trätiert diese Visiten als das Ergebnis harter, konsequenter diplomatischer Bemühungen. Dass dabei der zunächst geheim gehaltene Überraschungsbesuch in Oman den afrikanischen «Reigen» kurzfristig unterbrach, darf als Zeichen für Israels Fortschritt bei der Verbesserung der Kontakte zu den Golfstaaten gewertet werden. Es bedarf keiner besonderen Fantasie, um in dieser diplomatischen Flankenbewegung eine Bemühung zu erblicken, die das Vorgehen Jerusalems in Afrika gesamthaft gesehen sicher unterstützt.

Mehr als nur Hirngespinste

Im Tschad deutete Netanyahu während seines Blitzbesuchs gegenüber Reportern an, dass schon bald weitere muslimische Staaten in Afrika ihre Beziehungen zu Israel aufwärmen würden. Auf Details ging Netanyahu nicht ein, doch das ist auch nicht nötig. Der bisherige aussenpolitische Erfolg des Likud-Chefs in diesem Teil der Welt hat ihm zu Hause trotz Korruptionsuntersuchungen bereits so viel Kredit eingebracht, dass seine Spekulationen über die Fortsetzung des israelischen Vormarsches in Subsahara-Afrika schon vor ihrer Umsetzung in die Tat als Tatsachen oder zumindest als mehr als nur Hirngespinste aufgenommen werden. Wenn es ihm jetzt noch gelingt, seinen Landsleuten weiszumachen, dass es für Israels aussenpolitische Position «nicht so tragisch» ist, wenn die meisten der Staaten, die Netanyahu derzeit umwirbt, nicht unbedingt eine Regierungsform haben, die sich mit der in Israel gängigen Demokratie vergleichen lässt, dann darf Netanyahus Afrika-Politik als Aktivum angesehen werden, das sich auch am 9. April als erstklassiger innenpolitischer Wert verkaufen lässt. In diese Richtung geht auch das Überfliegungsrecht, das Netanyahus Maschine auf dem Rückflug von Tschad zum ersten Mal für Südsudan erhalten hat. Wer weiss, vielleicht bahnt sich hier bereits die Normalisierung zwischen Jerusalem und Khartum an?

Foto:
Idriss Déby, Präsident von Tschad, bei einem Treffen mit Binyamin und Sara Netanyahu im November 2018
© tachles

Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 25. Januar 2019