c asche aufÜber die Berichte von Kurt Nelhiebel (Conrad Taler) vom Auschwitz-Prozess

Redaktion

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - In seinem Vorwort zur zweiten Auflage der Berichte Kurt Nelhiebels vom Auschwitz-Prozess (Conrad Taler, „Asche auf vereisten Wegen“, PapyRossa Verlag 2015) erinnert der 2018 verstorbene Generalstaatsanwalt des Bundeslandes Brandenburg, Erardo C. Rautenberg, an eine Rezension von Bernd Kleinhaus, in der es heißt: „Gerade weil es sich bei den Prozessberichten von Conrad Taler nicht um distanzierte Gerichtsprotokolle handelt, sondern um sorgfältige und psychologisch genaue Beobachtungen eines Zeitzeugen, sind sie auch vierzig Jahre nach dem Auschwitz-Prozess eine wichtige Lektüre.“

Dem könne er nur zustimmen, schreibt Rautenberg. Das gelte auch für die Rezension von Marcel Atze im Newsletter des Fritz Bauer Instituts (Nr.25/ 2003): „Die Berichte von Conrad Taler sind außerordentlich lesenswert, weil der Autor eine brillante Beobachtungsgabe besitzt und weil ihn eine ungeheure Auditivität auszeichnet. Talers Buch ist jedem zu empfehlen, der sich rasch über den Verlauf des Auschwitz-Prozesses, über dessen Höhepunkte und die im Gerichtssaal ausgetragenen Konflikte ein Bild machen möchte. Jeder wird zudem durch Conrad Talers außerordentliches sprachliches Darstellungsvermögen belohnt.“

Welche Erinnerungen der Journalist selbst mit dem Prozess verbindet und wie er die Jahre danach erlebt hat, schildert er in einer persönlichen Vorbemerkung zur zweiten Auflage. Ihr sind die nachfolgenden Zeilen entnommen:

Zwei Dinge fallen mir ein, wenn ich an den Auschwitz-Prozess denke, die erschütternden Aussagen der Überlebenden und das erbärmliche Verhalten der Angeklagten, die kein Wort des Bedauerns für ihre Opfer fanden. Dann gibt es noch ein Drittes, das mich persönlich betrifft, die quälende Rückkehr in den Alltag am Schluss eines jeden Verhandlungstages. Musste das Leben nicht stillstehen angesichts des Grauens, das eben noch im Gerichtssaal auf mich eingestürzt war? Aber draußen nahm alles seinen gewohnten Gang. Geschäftig wie immer eilten die Menschen hin und her und ihre unbeteiligten Gesichter wirkten auf mich wie Masken aus einer anderen Welt.


In den Berichten über das Geschehen im Gerichtssaal erfüllte ich meine Chronistenpflicht nach bestem Wissen und Gewissen. Ein neutraler Beobachter war ich nicht. Das lassen meine Artikel für das offizielle Organ der Israelitischen Kultusgemeinde Wien unschwer erkennen. Wenn mir jemand wegen meiner Parteinahme für die Opfer mangelnde Objektivität vorwirft, dann ehrt mich das. Als einer, der politische Verfolgung am eigenen Leibe erlebt hat, konnte ich nicht auf Distanz bleiben.

Inzwischen ist viel passiert, aber Auschwitz lebt im kollektiven Gedächtnis der Menschheit weiter und wird als Mahnung an das Weltgewissen die Zeit überdauern. Daran können auch neue Versuche nichts ändern, das beispiellose Verbrechen zu zerreden. 2006 warb Joachim Gauck dafür, den Holocaust als Phänomen der modernen Zivilisation einzuordnen, statt ihn auf eine „quasireligiöse Ebene“ zu heben, wie Constanze von Bullion in der Süddeutschen Zeitung vom 5./6. Juli 2014 schrieb. Der Rechtshistoriker Michael Stolleis behauptete, einen von Anfang an verfolgten „Generalplan der Judenvernichtung“ habe es weder bei Hitler noch einem der Mächtigen in seiner Nähe gegeben. (Stolleis, Nahes Unrecht, fernes Recht, Göttingen 2014, S. 56.)

Nach dem Willen des hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer sollte der Auschwitz-Prozess das Ausmaß der NS-Gewaltverbrechen dokumentieren und den Opfern sowie deren Hinterbliebenen eine Stimme geben. 1964, kurz nach Beginn des Prozesses sprach er während eines Vortrages, den der Verfasser dieser Zeilen selbst miterlebt hat, die prophetisch klingenden Worte: „Nichts gehört der Vergangenheit an, alles ist noch Gegenwart und kann wieder Zukunft werden.“

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Info:
Conrad Taler: Asche auf vereisten Wegen - Berichte vom Auschwitz-Prozess, PapyRossa Verlag, Köln, 171 Seiten, 13,90 Euro, ISBN 978-3-89438-263-6