Bildschirmfoto 2019 04 20 um 02.29.14Der Nahostfriedensplan Trumps ist noch geheim – doch gezielte Indiskretionen weisen auf ein Ende der Zweistaatenlösung hin

Jacques Ungar

Tel Aviv (Weltexpresso) - Fast täglich mehren sich die Anzeichen dafür, dass der «Deal des Jahrhunderts», wie US-Präsident Donald Trump den mit aktiver Unterstützung seines Schwiegersohnes Jared Kushner entstehenden Nahost-Friedensplan gerne zu nennen pflegt, noch vor seiner offiziellen Enthüllung in Schwierigkeiten gerät. Laut einem Bericht der «Washington Post» sollen diese Schwierigkeiten nun bereits einen Grad erreicht haben, der die Lebensfähigkeit und Funktionstüchtigkeit des Planes ernsthaft gefährden könnten.

Im Vordergrund steht dabei die Tatsache, dass der Trump-Plan laut bisher in Umlauf geratenen gezielten Indiskretionen den Palästinensern keine volle Souveränität gewährt. Vielmehr drängt die US-Administration angeblich darauf, dass Israel im Rahmen eines langfristigen Abkommens mit den Palästinensern die Kontrolle über «autonome» palästinensische Gebiete behalten soll. Damit wäre die Zweistaatenlösung vollends vom Tisch. Das Schwergewicht des Deals wird dem Vernehmen­ nach auf die für Israel notwendigen Sicherheitsvorkehrungen gelegt, wobei den Palästinensern grosszügigste finanzielle Unterstützung für die Entwicklung ihrer Wirtschaft offeriert werden soll.

Bereits wiederholt haben palästinensische und generell arabische Kreise kompromisslos zu verstehen gegeben, dass ein amerikanischer Nahostplan auf den Misthaufen der Geschichte gehört und zurückgewiesen würde, sollte die Zweistaatenlösung keinen integralen Bestandteil des Dokuments bilden. Wenn nun die jüngsten Indiskretionen der «Washington Post» auch nur annähernd der Wirklichkeit entsprechen, dürften jene Nahostexperten nicht weit vom Schuss liegen, die befürchten, dass Trump-Schwiegersohn Kush­ner mit dem Plan kaum Lorbeeren ernten wird. Dabei wären nicht nur die Palästinenser unzufrieden mit den ihnen zufallenden «Brosamen» des Planes. Sollte dieser auch nur entfernt mit dem übereinstimmen, was die «Washington Post» zu wissen glaubt, würde das Trump-Konzept sich immer klarer zu einem israelisch-amerikanischen Gemeinschaftsunternehmen durchmausern. Schon alleine aus psychologischen Gründen wäre die arabische Seite dann fast gezwungen, das Vertragswerk zurückzuweisen.

Warnsignal aus Europa

Aber nicht nur die Araber warnen. Vielmehr riefen am Montag 37 ehemalige Premier- und Aussenminister aus ganz Europa die EU dazu auf, dem Trump-Plan die Tür zu weisen, ausser er unterstütze die Zweistaatenlösung. In anderen Worten schlägt sich mit der EU einer der wichtigsten Handels- und Wirtschaftspartner Israels in einem vielleicht entscheidenden Moment der Nahostpolitik einseitig auf die arabische Seite. In ihrem Schreiben fordern die ehemaligen EU-Politiker nämlich ihre heutigen Nachfolger auf, die Unterstützung für die Zweistaatenlösung des israelisch-palästinensischen Konflikts zu ratifizieren. Das sollte, so erklären die Briefe­schreiber, noch vor der Veröffentlichung des Trump-Friedensplanes geschehen. Zeitlich wäre dies machbar, gab Washington laut dem genannten Zeitungsbericht als Zeitpunkt für die Publikation gewollt vage doch «Frühling» an. Noch vor Kurzem verlautete, dass der Bericht unmittelbar nach den israelischen Wahlen unters Volk gebracht werden solle. Jetzt aber ersuchen die ehemaligen EU-Offiziellen ihre Landsleute, den Trump-Plan nicht zu unterstützen, wenn er das Zweistaaten-Prinzip und das internationale Gesetz nicht respektiert.

«Haaretz» nennt alle Signataren des Briefes. Beschränken wir uns auf eine kleine Auswahl: Jean-Marc Ayrault, ehemaliger französischer Premierminister, die zwei britischen Ex-Aussenminister David Miliband und Jack Straw, Sigmar Gabriel, deutscher Ex-Aussenminister, und Javier Solana, der frühere EU-Repräsentant für Aussen- und Sicherheitspolitik. Hinzu kamen zahlreiche weitere Ex-Premier- und Aussenminister, Nato- und EU-Offizielle.


Kluft zwischen Europa und Israel

Ein kurzes Zitat aus dem Brief zeigt, wo die europäischen Offiziellen der Nahost-Schuh drückt. «Wir geraten an die Öffentlichkeit zu einem kritischen Zeitpunkt im Nahen Osten wie auch in Europa. In Partnerschaft mit bisherigen US-Administrationen hat Europa eine gerechte Lösung für den israelisch-palästinensischen Konflikt im Kontext einer Zweistaatenlösung gefördert. Trotz verschiedener Rückschläge sind die Osloer Abkommen nach wie vor ein Meilenstein der transatlantisch-aussenpolitischen Kooperation. Leider hat sich die gegenwärtige US-Administration entfernt von der bewährten US-Politik und sich auch distanziert von etablierten internationalen legalen Normen. Bis jetzt hat die Administration­ nur die Ansprüche einer Seite auf Jerusalem anerkannt. Zudem demons­triert sie eine störende Gleichgültigkeit gegenüber der Expansion israelischer Siedlungen. Die USA haben ihre Finanzierung für die Uno-Agentur für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) und für andere Programme zu Gunsten der Palästinenser eingestellt. Vor dem Hintergrund dieser unglücklichen Absenz gegenüber einer klaren Verpflichtung zu der Vision von zwei Staaten hat die Administration Trump erklärt, nahe zu einer Finalisierung und Präsentation eines neuen Planes für einen israelisch-palästinensischen Frieden zu sein. Trotz der Unsicherheit hinsichtlich des Zeitpunkts für eine Veröffentlichung des Planes ist es unabdingbar für Europa, wachsam zu sein und strategisch zu handeln.»

Diese wenigen Zeilen aus dem Brief der Europäer reichen aus, um zum Schluss zu gelangen, dass die Kluft zwischen den direkt und indirekt am Konflikt beteiligten Seiten immer mehr unüberbrückbar wird. Zudem droht eine reale Gefahr, dass der «Deal des Jahrhunderts» schon vor seiner eigentlichen Veröffentlichung zur Totgeburt wird. Verdichtet hat sich dieses Risiko durch den eklatanten Wahlsieg rechtsnationaler Kreise in Israel.

Foto:
Der noch geheimgehaltene Friedensplan, den die USA für die Israeli und Palästinenser vorsieht, könnte mehr Schaden als Nutzen stiften
© tachles

Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 17. April  2019