br oktoberfest attentat wiesn geschichte102 v img 16 9 xl d31c35f8186ebeb80b0cd843a7c267a0e0c81647Ermittlungen zum Oktoberfest-Attentat werden endgültig eingestellt

Constanze Weinberg

Buxtehude (Weltexpresso) - Es geschah am Abend des 26. September 1980, zehn Tage vor einer Bundestagswahl, bei der nach Wunsch und Willen der Unionsparteien der Sozialdemokrat Helmut Schmidt als Bundeskanzler durch den CSU-Vorsitzenden und bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß abgelöst werden sollte. An jenem Abend explodierte auf dem Münchner Oktoberfest ein Sprengstoffpaket mit verheerenden Folgen. 13 Menschen wurden getötet und 200 schwer verletzt.

Bei dem Attentäter handelte es sich nach Feststellungen der Polizei um den 21jährigen Geologiestudenten Gundolf Köhler. Über ihn heißt es in der „Chronik des Jahrhunderts“ auf Seite 1168, im nachrichtendienstlichen Computer des Bundesinnenministeriums sei Köhler als Anhänger der „Wehrsportgruppe Hoffmann“ erfasst gewesen, einer neonazistischen Organisation, die am 30. Januar 1980 verboten wurde. Die Frage, ob der Student Hintermänner hatte, wurde nie geklärt. Köhler kam bei der Explosion ebenfalls ums Leben.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung vom 18./19. Mai stehen die im Jahr 2014 neu aufgenommenen Ermittlungen kurz vor dem Abschluss. Die Bundesanwaltschaft werde die Suche nach möglichen Hintermännern des größten rechtsradikalen Anschlags in der Geschichte der Bundesrepublik demnächst einstellen. „Es gibt keine letztliche Klärung“ habe ein Fahnder erklärt. Über das damalige Geschehen heißt es:

„Strauß war es, der die Wehrsportgruppe Hoffmann als harmlos abgetan hatte: Man solle Männer, die mit einem ‚Battle-Dress’ und Koppel im Wald spazieren gehen wollen, in Ruhe lassen, sagte er. Dabei hatte ein Freund Köhlers gesagt, der Attentäter habe davon geredet, man müsse einen Anschlag begehen in einer Großstadt und sie dann den Linken in die Schuhe schieben. Dann würde Strauß gewählt.“ Aber es kam anders. Strauß verlor die Wahl. Trotz eines mit harten Bandagen geführten Wahlkampfes kam die von CDU und CSU erhoffte politische Wende nicht zustande. Sozialdemokraten und Freie Demokraten konnten die sozialliberale Koalition fortsetzen. Helmut Schmidt blieb Bundeskanzler.

Die „Wehrsportgruppe Hoffmann“ hatte vor dem Verbot immer wieder durch spektakuläre militärische Übungen, bei denen ihre Anhänger Stahlhelme und Uniformen trugen, von sich reden gemacht. Bei ihren Aufmärschen sangen sie: „Legt sie um, die roten Säue, macht sie nieder Mann für Mann.“ Als der bayerische Innenminister Alfred Seidl 1978 im Landtag gefragt wurde, was er von den Umtrieben halte, wiegelte er ab. Von der „Wehrsportgruppe Hoffmann“ gehe keine Gefahr für die freiheitlich demokratische Grundordnung aus, sagte er.

Am 22. März des darauf folgenden Jahres höhnte der Ministerpräsident persönlich an die Adresse der SPD-Opposition gerichtet: „Machen Sie sich doch nicht lächerlich, wenn Sie gewisse Gruppierungen – Sie haben heute die Wehrsportgruppe Hoffmann genannt – durch ihre ständigen, in der Öffentlichkeit vorgetragenen Darstellungen überhaupt erst der bayerischen Bevölkerung bekannt machen und ihnen damit eine Bedeutung beimessen, die sie nie hatten, nie haben und in Bayern nie bekommen werden.“ (Zitiert nach „Die SS ist ihr Vorbild“, Röderberg Verlag, Frankfurt/Main 1981, S. 5).

Drei Tage nach der Explosion auf dem Münchner Oktoberfest machte Strauß die sozialliberale Koalition indirekt für das Attentat verantwortlich. Dem von den Freien Demokraten gestellten Bundesinnenminister Gerhart Baum warf er in der „Bild-Zeitung“ vom 29. September vor: „Herr Baum ist schuld, dass unsere Nachrichtendienste systematisch gelähmt, demoralisiert und zerschlagen wurden. Das nützt den links- und rechtsradikalen Verbrechern.“ Zusätzlich behauptete er, der „Wehrsportgruppe Hoffmann“ gehörten rund zwei Dutzend Leute an, die aus der DDR gekommen seien, so als handle es sich um eine von Linken unterwanderte und von außerhalb gesteuerte Gruppierung. Den von Baum geforderten Beweis dafür blieb Strauß schuldig.

Bleibt nachzutragen, dass ein Reporter des Bayerischen Rundfunks – wie die Süddeutsche Zeitung in der genannten Ausgabe schreibt – vor Jahren ein halbes Dutzend Zeugenaussagen zusammengetragen hat, die alle davon sprachen, dass Köhler nicht allein gewesen war. Er machte auch bekannt, dass im Aschenbecher von Köhlers Auto 48 Zigarettenstummel gefunden wurden. Die DNA habe man damals noch nicht auswerten können, aber man fand an den Kippen die Spuren von drei unterschiedlichen Blutgruppen. Aber alle Asservate – so die Süddeutsche Zeitung – wurden 1997 vernichtet. Auch die Kippen. Selbst bei der Bundesanwaltschaft habe man gesagt, das hätte nie passieren dürfen.
 
Foto:
Anzeige des Ex-Führers der "Wehrsportgruppe Hoffmann"
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