Bildschirmfoto 2019 07 05 um 00.54.12Die Gemüter erhitzten sich am Tod eines Jugendlichen

Jacques Ungar

Tel Aviv (Weltexpresso) - Aufgebracht durch den Tod – Äthiopier sprechen von einem «Mord» - des 18-jährigen Solomon Tekah – gingen am Dienstag tausende Angehörige der äthiopisch-israelischen Gemeinde auf die Strasse. Sie blockierten dutzende Strassenkreuzungen und Auto-Durchgangsstrassen im ganzen Lande, bewarfen Polizisten mit Steinen und Brandbomben, zündeten Autopneus zu dutzenden an und führten an Privatwagen unbeteiligter Personen eigentliche Akte der Lynchjustiz durch.

Am Schluss eines gewaltsamen Tages zählte die Polizei am Dienstagabend mindestens 47 verwundete Polizeioffiziere und 60 verhaftete Demonstranten und Randalierer. Der am frühen Dienstag zur letzten Ruhe gebettete Tekah war am Sonntag von einem sich nicht im Dienst befindlichen Polizisten erschossen worden, der sich nach eigenen Angaben in «Lebensgefahr» fühlte.

Er wollte dem Vernehmen nach zwischen einer Gruppe Jugendlicher schlichten, die aneinandergeraten waren. Der Anwalt des Polizisten unterstützt dessen Version von der Lebensgefahr, während Mitglieder der Äthiopier-Gemeinschaft versicherten, Tekahs Tod sei das vorläufig letzte Glied in einer Kette von Zwischenfällen der exzessiven Polizeigewalt gegen Angehörige der Gemeinschaft.

Das Land war im Laufe des Dienstags zu einem eigentlichen Stillstand gezwungen worden, nachdem einige der wichtigsten Strassen wie die Trans-Israel-Autobahn (Strasse 6), Route 4, die Küstenstrasse und die Ayalon-Strasse alle teilweise und zeitweise geschlossen werden mussten. – In einer am Dienstagabend veröffentlichten Stellungsnahme erklärte Premier Netanyahu unter anderem: «Wir alle betrauern den tragischen Tod des jungen Solomon Tekah. Wir umarmen die Familie und die äthiopische Gemeinschaft. Sie ist mir teuer, sie ist uns allen teuer. Das sind nicht nur leere Worte».

Trotz dieser einfühlsam sein wollenden Gedanken muss befürchtet werden, dass nach dem Geschehen vom Dienstag die aufgebrachten äthiopischen Israeli noch nicht zur Ruhe gebracht werden konnten. Wenn nötig, dürfte die Polizei in den kommenden Tagen die drohende Eskalation der Gewalt noch entschlossener eindämmen wollen. Erste Hinweise auf ein strikteres Vorgehen der Ordnungshüter zeichnete sich bereits am späten Dienstagabend ab, als dank des entschiedenen Eingreifens der Polizei zahlreiche Kreuzungen und Strassen wieder für den Verkehr geöffnet werden konnten.

Foto:
Familienmitglieder und Freunde des verstorbenen Teenagers Solomon Tekah halten ein Bild von ihm bei seiner Beerdigung
© tachles

Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 3. Juli 2019