Bildschirmfoto 2019 07 07 um 21.49.48Familie fordert Ruhe bis nach der Trauerwoche

Jacques Ungar

Tel Aviv (Weltexpresso) - Wie angekündigt, setzten Angehörige der in Israel lebenden aus Äthiopien stammenden Gemeinschaft und deren Sympathisanten ihre Proteste auch am Mittwoch und in der Nacht auf den Donnerstag fort. Die Kundgebungen waren allerdings «dünner» als in den beiden ersten Tagen.

Vor allem zeigte das klar energischere Auftreten der Sicherheitsorgane insofern seine Wirkung als dass die grossen Verkehrsadern des Landes die grösste Zeit über offen bleiben konnten. Zudem blieb auch die Aufforderung der Familie des von einem Polizisten am Sonntag erschossenen 18-jährigen Solomon Tekah nicht ungehört. Die Familie hatte ersucht, für die Dauer der Trauerwoche die Demonstrationen zu suspendieren und sie später «in geordneter Weise» fortzusetzen.

Auf der anderen Seite intensivierten auch Premier Netanyahu und Staatspräsident Rivlin ihre Bemühungen, die Gesetze zu respektieren, gleichzeitig aber auch die nach Ansicht der äthiopischen Gemeinschaft bis jetzt vernachlässigten Integrationsbemühungen zu verbessern und vor allem in der Praxis fortzusetzen.

Diese Appelle kommen spät und legen den Finger auf einen sehr wunden Punkt der israelischen Gesellschaft. Zu hoffen bleibt, dass einerseits die Aufrufe nicht zu spät erfolgen, und andererseits innerhalb der äthiopischen Gemeinschaft diejenigen Kräfte die Oberhand gewinnen werden, die zu Recht die Durchsetzung ihrer gesellschaftlichen Gleichberechtigung fordern, dies aber im Rahmen der geltenden Gesetze und Verordnungen erreichen wollen.

In Israel leben heute rund 140’000 Juden äthiopischen Ursprungs. einschliesslich ihre bereits im Lande geborenen Nachkommen. Die meisten der äthiopischen Juden waren in militärischen Geheimaktionen in den Jahren 1984-91 nach Israel geflogen worden. Mitglieder der äthiopischen Gemeinschaft in Israel kämpfen seither aber mit wechselndem Erfolg um ihre volle Integration in die israelische Gesellschaft. Immer wieder wirft die Gemeinschaft dem Staat, einschliesslich der Armee und Polizei Rassismus, Vernachlässigung, Brutalität und Missbrauch vor.

Foto:
Eine Demonstrantin wird in Tel-Aviv von Polizisten weggetragen
© tachles

Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 4. Juli 2019