Aufschrei current logo kopfDie Aktion Aufschrei! – Stoppt den Waffenhandel! mahnt nochmals an, auferlegte Beschränkungen der Lieferpolitik einzuhalten – mit geringem Erfolg

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Ein Kommentar vom 03.Juli 2019 der Aktion Aufschrei, die von mehr als hundert Organisationen, u.a. von Misereor, Brot für die Welt, pax christi und terre des hommes getragen wird, aus Anlass des Rüstungsexportberichts 2018.
In diesem Bericht der Bundesregierung wird die Rüstungsexportpolitik als restriktiv verkauft; da dies unzutreffend ist, ergeht der Vorwurf mangelnder Konsequenz in den unteilbaren Angelegenheiten des Lebens und der Menschenrechte. Die Politik übt sich in Schönfärberei..


Machttaktische Spiele - jederzeit

Die Politik ist ganz offensichtlich der Waffenindustrie mehr verpflichtet als der leidenden Menschheit. Das war auch im Fall Sigmar Gabriel schon so, der vor der Amtsübernahme als Wirtschaftsminister vor der Bundestagswahl zum Internationalen Tag der Menschenrechte am 10.12.2013 versprochen hatte, sich restriktiv in der Waffenexportpraxis zu verhalten.

Die Implikationen dieser Ankündigung wurden nicht eingehalten. Es wurde weiter exportiert und damit der Weg in den großen Weltkonflikt geebnet. Der Jemen kann für die ausufernde Praxis, zumal der Proliferation im Hintergrund - Waffen werden weiterverteilt und verhökert -, stellvertretend gelten. Der Jemen wird seit 2015 von Saudi-Arabien in Schutt und Asche gebombt, mit Folgen, derer wir ununterbrochen in Nachrichtenbildern ansichtig werden. Dabei geht es nicht wirklich um den – anzunehmenden – Religionskonflikt mit den Huthi-Rebellen und dem Iran, sondern um die Vorherrschaft im Nahen Osten. Mit islamistischer Ideologie im Background. Und das im Namen eines Staats der Schande, der den Philosophen Raif Badawi, der wegen eigener Meinungen, die dem Despoten des arabischen Mannestums, Salman, nicht passten, öffentlich mit 50 Stockhieben ausgepeitscht wurde – einer Praxis, die jederzeit wieder fortgesetzt werden kann.

Die Bundesregierung kontrolliert weder nachhaltig den Endverbleib - auch einer Flut mörderischer Kleinwaffen - noch hält sie sich an die selbstauferlegte Richtschnur, sich der Exporte in Länder außerhalb von EU und NATO sowie der Exportgenehmigung an Drittländer tunlichst zu enthalten. Auf der Grundlage dieser ihrer Großzügigkeit gehen jedoch regelmäßig Exporte auch an kriegführende und menschenrechtsverletzende Staaten. Es bleibt damit bei der unseligen Praxis taktischer Regierungslogik aus vorwiegenden Männerdenkbeständen.

In einem Brief des Bündnisses der genannten Aktion an die Bundeskanzlerin vom 10. Dezember 2018 hieß es in Anbetracht eines zunächst nur auf zwei Monate begrenzten Lieferstopps an Saudi-Arabien: „Wir sind entsetzt, dass der Lieferstopp für bereits genehmigte deutsche Rüstungsgüter Medienberichten zufolge auf Freiwilligkeit basieren sowie auf lediglich zwei Monate begrenzt sein soll. Zudem kritisieren wir, dass die Bundesregierung weiterhin keinen Regulierungsbedarf in Hinblick auf die Lücken in der deutschen Rüstungsexportkontrolle sieht, die es deutschen Rüstungsunternehmen ermöglichen, Saudi-Arabien über Tochter- und Gemeinschaftsunternehmen im Ausland zu beliefern“.

Aus dem Kommentar

Der Rüstungsexportbericht 2018 verzeichnet bereits genehmigte Rüstungsexporte in Höhe von 500 Mio. Euro - an die im Jemen Krieg führenden Staaten (wozu auch die Emirate, Ägypten und weitere Mitglieder der Kriegskoalition gehören). In der Praxis sei dieser Wert verdoppelt worden und bewege sich damit immer noch auf dem Gesamtjahresniveau von 1,27 und 1,15 Mrd. Euro in den Jahren 2017 und 2016. „Das ist ein politisches Desaster“. Deutschland werde dadurch mitverantwortlich für die humanitären Katastrophen, die vornehmlich durch eine höllische Lage im Jemen gekennzeichnet sind. Der Verweis auf gesunkene Genehmigungswerte, mit ‚restriktiv‘ gekennzeichnet, sei Augenwischerei und entbehre jeder Grundlage.

Jürgen Grässlin, DFG-VK-Bundessprecher, erläutert, dass die Einzelausfuhrgenehmigungen mit 4,82 Mrd. im Vergleich zu den drei Jahren davor einen Rückgang darstellen, aber nur, weil diese absolute Negativ-Rekorde brachen. Das Jahr 2018 entspräche dem hohen Durchschnittsniveau Anfang des Jahrzehnts. Und: „Wieder gingen über die Hälfte der deutschen Rüstungsexportgenehmigungen an Länder außerhalb von EU und NATO. 2018 entsprachen diese Genehmigungen für den Export an sogenannte Drittländer mit einem Wert von 2,55 Mrd. Euro 53 Prozent der gesamten Einzelausfuhrgenehmigungen“.

Charlotte Kehne, Referentin für Rüstungsexportkontrolle bei ‚Ohne Rüstung Leben‘ und Sprecherin der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ führte aus: Fünf der Top-10-Empfänger deutscher Rüstungsgüter seien Drittländer gewesen, darunter Saudi-Arabien.

Fazit: „Eine Kehrtwende in der deutschen Rüstungsexportpraxis ist mehr als überfällig!“ – Als erster Schritt müssten Rüstungsexporte an kriegführende und menschenrechtsverletzende Staaten endlich gestoppt werden.

Dazu gehört auch Mexiko. In den von mafiosen Strukturen durchzogenen mexikanischen Bundesstaat Guerrero wurden mit illegalen Praktiken von fünf Mitarbeitern von Heckler&Koch G36-Gewehre geliefert, die Aldo Guxières die Hälfte des Gehirns zerstört haben. In Erinnerung sind auch die 43 Studenten, Opfer eines Verbrechens im Dorf Ayotzinapa, geblieben, die kaum nachvollziehbar spurlos verschwanden.

Made in Germany“ – „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“

Eine Plakataktion ‚Made in Germany‘ von ‚Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel‘ fand an der U-Bahn-Station Französische Straße in Berlin, unweit des Regierungsviertels unter dem Motto „Kriegsszenen statt bunter Werbung“ statt.

„Zerstörte Städte, Landstriche und brennende Fahrzeuge in Aden und Saada im Jemen sowie Afrin in Nordsyrien. Städte, in denen der Einsatz deutscher Kriegswaffen und Rüstungsgüter nachgewiesen ist“.

Mit Rüstungslieferungen in Krisenregionen verändere Deutschland das Gesicht dieser Welt – unter diesem Schriftzug sprachen die Plakate das Unheilvolle an. Daher waren symbolhaft wiedergegebene Szenen in den Landesfarben Schwarz, Rot, Gold gefärbt. Die besonders hervorzuhebende Wahrnehmung galt den Rüstungsexporten an die Kriegskoalition im Jemen. Dort spiele sich die größte humanitäre Katastrophe der Gegenwart ab. „24 Millionen Menschen benötigen dringend humanitäre Hilfe, 14 Millionen sind akut von Hunger bedroht“ [...] „56.000 Menschen sollen allein zwischen Januar 2016 und Oktober 2018 getötet worden sein. Allen Konfliktparteien werden Kriegsverbrechen vorgeworfen“.

Daher fordere „die ‘Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!‘ die Bundesregierung auf, endlich wenigstens einen dauerhaften und lückenlosen Rüstungsexportstopp für alle Länder zu verhängen, die am Jemen-Krieg beteiligt sind“.

P.S. Neueste Nachricht vom 11.Juli 2019: Die Bundesregierung hat im ersten Halbjahr 2019 Rüstungsexporte im Wert von 5,3 Mrd. Euro genehmigt und damit schon mehr als im gesamten Vorjahr.

Abbildung © Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!

Wir berichteten mehrfach im Kontext Rüstungsexporte:

https://weltexpresso.de/index.php/zeitgesehen/9317-widerstandsnester-im-park-gegen-goldene-nasen-des-ruestungsgeschaefts

https://weltexpresso.de/index.php/zeitgesehen/9318-dem-einfluss-des-souveraens-entzogen

https://weltexpresso.de/index.php/zeitgesehen/12125-neue-tragoedie-der-weltgemeinschaft-der-ueberfall-auf-asrin_556

https://weltexpresso.de/index.php/zeitgesehen/14014-mit-moerdern-verbunden_556