kpm VVN BdA LogoFinanzbehörden im Schulterschluss mit AfD, NPD & Co.

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Das Finanzamt des Landes Berlin entzieht dem linksdemokratischen Verein VVN-BdA die Gemeinnützigkeit.

Bei der Erledigung ihrer Kernaufgaben hingegen ist diese Behörde (Finanzamt für Körperschaften I des Landes Berlin) bislang nicht aufgefallen. Etwa mit Maßnahmen gegen national und international agierende Betrüger, die Cum-Ex-Geschäfte betreiben. Oder die mittels Briefkastenfirmen die Vermögen von Menschen-, Rauschgift- und Waffenhändlern „waschen“. Eigentlich müsste das Vorgehen gegen Kriminelle, welche der Bundesrepublik Deutschland Milliarden Steuergelder entziehen, zu den zentralen Arbeitsfeldern der Finanzverwaltung zählen. Aber hier scheint ein Paradigmenwechsel stattgefunden zu haben.

Bemerkenswert ist auch das zeitliche Umfeld des Bescheids, der vom 4. November 2019 datiert. Der Anschlag auf die Synagoge in Halle (Saale) liegt erst fünf Wochen zurück, der auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke ein halbes Jahr. Regelmäßig berichten Kommunalpolitiker über Morddrohungen, die sie aus der rechtsextremistischen Szene erhalten. Die Arbeit der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten“ beinhaltet demgegenüber seit Jahren Aufklärung über Rechtsextremismus in Vergangenheit und Gegenwart und unterstützt dabei ähnliche Aktionen von Gewerkschaften und demokratischen Parteien. Auch der Hinweis des Finanzamtes auf Beobachtungen von VVN-BdA durch den Verfassungsschutz rechtfertigt nicht den Entzug der Gemeinnützigkeit. Eher zeigt er ein mangelhaftes Geschichtsbewusstsein.

Die VVN (so ihr ursprünglicher Name) wurde 1947 gegründet von Überlebenden der NS-Vernichtungs- und Konzentrationslager. Neben den rassisch Verfolgten waren es Sozialdemokraten, Sozialisten, Kommunisten und Widerständler aus der Kirche, welche der Brutalität des Nazi-Staats besonders ausgesetzt waren. Folglich thematisierte der Verein zunächst neben den Verbrechen des NS-Regimes auch die Rolle ehemaliger Nationalsozialisten in der Bundesrepublik der 1950er und 1960er Jahre. Während dieser Epoche erlangten ehemals führende NSDAP-Mitglieder wie Hans Globke oder Theodor Oberländer erneut politische Ämter. Die Regierung Adenauer unterdrückte im Rahmen ihrer Möglichkeiten jede kritische Stimme gegen die braune Restauration und erließ im Jahr 1950 eine Verfügung, der zufolge die Mitgliedschaft in der VVN mit einer Anstellung im öffentlichen Dienst unvereinbar war. Bereits 1946 hatte das von Antikommunistischen unterwanderte „Büro Schumacher“ der West-SPD den Mitgliedern geraten, der VVN nicht beizutreten und jede Zusammenarbeit mit ihr abzulehnen.

Dass die VVN vor allem Beifall aus der DDR und bis zu deren Ende auch finanzielle Unterstützung erhielt, lag einerseits an der Rolle, die Westdeutschland vor allem von den USA im Kalten Krieg zugewiesen worden war, andererseits an der daraus resultierenden planmäßig betriebenen Ausgrenzung linker Widerstandskämpfer. Die VVN in der DDR wurde 1953 aufgelöst, ihre Vorsitzenden und Mitglieder in staatliche Organisationen integriert. Diese Maßnahme kann man mit Recht als Versuch werten, den Antifaschismus einer Kontrolle zu unterwerfen und ihn zu reglementieren.

Der Verfassungsschutz muss sich nachsagen lassen, in seiner Gründungsphase ehemalige Angehörige von Gestapo, SS und SD rekrutiert zu haben. Im Zuge des sich verschärfenden Ost-West-Konflikts sahen die Alliierten über diese „Schönheitsfehler“ hinweg. Eher selten mussten Altnazis ihre Ämter aufgeben. Einer von diesen war Hubertus Schrübbers, der von 1955 bis 1972 Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz war.

Der Hass gegen Linke und die klammheimliche Zustimmung zu Faschisten scheint sich in dieser Behörde jedoch verfestigt zu haben. Ich denke beispielsweise an die undurchschaubare Rolle des hessischen Verfassungsschutzes in Sachen NSU. Und aktuell an die Zusammenarbeit mit einem Finanzamt, das die Gemeinnützigkeit von Vereinen davon abhängig macht, ob diese links (sehr schlecht), liberal (äußerst bedenklich) oder rechts (sehr gut) einzuordnen sind.

Das Handeln des Berliner Finanzamts befindet sich offensichtlich in Übereinstimmung mit Plänen des Bundesfinanzministeriums, Vereinen, die sich politisch äußern, die Gemeinnützigkeit zu verweigern bzw. zu entziehen. Dass dies unter der Verantwortung eines sozialdemokratischen Ministers geschieht, ist bezeichnend für den aktuellen geistig-moralischen Zustand dieser Republik. Olaf Scholz, der sich um den SPD-Vorsitz bewirbt, betreibt das Geschäft der AfD.

Foto:
Logo der VVN-BdA
© VVN-BdA