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Kategorie: Zeitgeschehen
Schutz der Verfassung  in den falschen Händen
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Kurt Nelhiebel

Bremen (Weltexpresso) – Es war eine Schnapsidee, den Schutz des Grundgesetzes, kaum dass es aus der Taufe gehoben war, einem Amt ohne direkte demokratische Legitimation anzuvertrauen, dem Bundesamt für Verfassungsschutz.

Damit wurde die Verantwortung für unser höchstes Gut an Leute abgeschoben, die von Berufs wegen nicht das Gute im Menschen sehen, sondern das Schlechte, Polizeiseelen, die es nicht anders gelernt haben. In diesem Fall in der Mehrzahl Leute, die bis eben noch Diener des Unrechts gewesen sind, die den Nazis die Gegner vom Hals halten sollten, Angehörige der Geheimen Staatspolizei, der Gestapo, des Sicherheitsdienstes, der SS, die Hitler bis zum Schluss die Treue gehalten haben. Sie sollten nun darüber wachen, dass es demokratisch zugeht in Deutschland und das Grundgesetz vor Schaden bewahrt wird.

Die von den Alliierten zum Tode verurteilten Hauptkriegsverbrecher werden sich in der Hölle ausgeschüttet haben vorLachen angesichts des Stelldicheins, das sich ihre Mitstreiter von einst beim Verfassungsschutz gaben. Natürlich wurde den gewendeten Schlapphüten gesagt, sie müssten ihr Augenmerk nach links und nach rechts richten, aber das ging ihnen doch gegen die Natur. Sie waren darauf dressiert, die Linken, die Kommune, klein zu halten. Als sich herausstellte, dass es die Verfassungsschützer nicht so ernst nahmen mit Recht und Gesetz und auch Telefongespräche von Bundestagsabgeordneten abhörten, war das Wehklagen groß. Aber der zuständige Bundesinnenminister Hermann Höcherl von der CSU stellte sich schützend vor sie und verteidigte die Rechtsbrecher; seine Leute könnten nicht immer mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen.

1962 legte Höcherl den ersten Jahresbericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz vor, über den die Frankfurter Allgemeine unter Überschrift „Der Rechtsradikalismus in der Bundesrepublik Deutschland vereinsamt“ berichtete. Was für eine grandiose Fehleinschätzung und Fehlorientierung! Der Rechtsradikalismus sei, so hieß es in der Ausgabe vom 17. April 1962, organisatorisch zersplittert und schwach und ohne Anziehungskraft. Seine Stärke werde nach Ansicht der Verfassungsschutzämter häufig falsch eingeschätzt. Man messe ihm eine Bedeutung bei, die ihm nicht zukomme. Irrige oder missverständliche Zahlengaben seien nicht selten als Hetze der Kommunisten erkannt worden.

Knapp vier Jahrzehnte später konnte ein rechtes Killerkommando, das sich nationalsozialistischer Untergrund nannte, einen Mord nach dem anderen begehen, ohne dass der Verfassungsschutz den Strafverfolgungsbehörden auch nur den geringsten Hinweis gab. Im Prozess gegen die an den Morden beteiligte Beate Zschäpe ließ es die Bundesanwaltschaft nicht zu, dass über eine eventuelle Mitschuld staatlicher Stelle Beweis erhoben wurde. Etwaige Wölfe im Schafspelz blieben so unentdeckt.

Die aber gab es seit eh und je und zwar auch in den höchsten Etagen. Der Verfasser des Standardkommentars zum Grundgesetz, Theodor Maunz, war insgeheim der „wunderbare Wegbegleiter“ des Herausgebers der rechtsradikalen „Deutschen Nationalzeitung“, Gehard Frey. Maunz schrieb jahrelang incognito Artikel für das antisemitische Hetzblatt und er half Frey heimlich mit einem Rechtsgutachten aus Patsche, als ihm die Bundesregierung 1969 das Grundrecht auf Presse- und Meinungsfreiheit absprechen lassen wollte, weil er es zum Kampf gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung missbrauche. Offensichtlich hat sich wenig geändert. Wie sonst soll man sich erklären, dass einer von ganz oben, der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz einer Partei wie der AfD heimlich Ratschläge gab, wie sie der offiziellen Beobachtung durch den Verfassungsschutz am besten entkommt. Und als der Skandal aufflog, sollte dieser Mann mit dem Posten eines Staatssekretärs im Bundesinnenministerium belohnt werden.

Weil sich die Fälle häufen, dass bei der Polizei und den Sicherheitsbehörden rechtsextremistische Tendenzen beobachtet werden, will Bundesinnenminister Seehofer ein Referat in Leben rufen, das sich mit rechten Umtrieben im Öffentlichen Dienst befasst. „Wir werden den Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus verstärkt bekämpfen“, sage er. Vielleicht sollte er seiner Kabinettskollegin Kramp-Karrenbauer vorschlagen, auch bei der Bundeswehr nach dem Rechten zu sehen. Auch dort sind hochsensible Bereiche nicht sicher vor Rechtsextremisten.

Der Chef des Kommandos Spezialkräfte des Bundeswehr, Brigadegeneral Reinhard Günzel, sprang dem CDU-Abgeordneten  Martin Hohmann öffentlich zur Seite, als dieser wegen einer antisemitischen Rede aus der Bundestagsfraktion ausgeschlossen werden sollte. Hohmann sitzt jetzt für die AfD im Bundestag. Günzel selbst wurde von Verteidigungsminister Peter Struck nachträglich für verrückt erklärt und entlassen. So hat Struck sich nicht ausgedrückt; er murmelte etwas von „verwirrten Äußerungen“. Hat der Verfassungsschutz auch davon nichts gewusst?  Wäre es nicht an der Zeit, den Schutz der Verfassung denen zurückzugeben, die dafür in erster Linie zuständig und verantwortlich sind, den gewählten Vertretern des Volkes.

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