Drucken
Kategorie: Zeitgeschehen
Bildschirmfoto 2020 03 17 um 23.55.16Historischer Tag für das Schweizer Judentum in historischen Tagen weltweit

Yves Kugelmann

Basel (Weltexpresso) - Das gab es noch nie seit dem Jüdinnen und Juden seit dem 17. Jahrhundert wieder in der  Schweiz ansässig sind: ein Tag ohne Minjam. Soweit sich aufgrund historischer Quellen erurieren lässt, haben die Juden der Schweiz täglich das jüdische Gebet in der Synagoge oder anderswo mit dem Quorum von mindestens zehn Männern durchgeführt.

Der Zweite Weltkrieg oder die Oel- und andere Krisen haben nie zu einem derart strikten Regime geführt, dass die Versammlung zum Minjan verunmöglicht hätte. Am heutigen 16. März allerdings wurde dieses für viele unerwartete Szenario erstmals real und die Erfahrung für viele wiederum irreal. Gegenüber tachles zeigten sich gerade Vertreter orthodoxer Gemeinden schockiert. Noch nie seit dem ersten Tag nach ihrer Bar Mitzwa hätten sie nicht wie sonst täglich in Gemeinschaft gebetet. Heute Morgen liefen viele umsonst in Basel, Zürich oder etwa Genf bei Synagogen oder Gebetsräumen an und fanden Schrifttafeln vor, die auf das Gottesdienstverbot des Bundes verwiesen haben.

Zum Teil konnte noch gelernt oder einzeln gebetet werden – ein gemeinsames Gebet war hingegen nicht mehr möglich. Die Stimmung gerade in der praktizierenden jüdischen Gemeinschaft ist dementsprechend geprägt von dieser für vielen einschneidenden Realität, die über die sonst schon strengen Massnahmen bei vielen Trauer hinterlassen haben.

Wenngleich Gottesdienste für alle Religionsgruppen in der Schweiz verboten sind, geht das Gebet in Gemeinschaft auf besondere Gebote innerhalb der jüdischen Tradition zurück. Anders als in Kirchen oder Moscheen bietet sich gerade etwa an Schabbat oder Feiertagen keine Lösung über Streaming-Dienste an, wenn etwa das Hören der Thoralösung für männliche Mitglieder der Glaubensgemeinschaft verpflichtend ist. Zwar gibt es für Menschen mit Krankheit Ausnahmeregelungen, die aber bisher für den Fall eines Versammlungsverbots nicht vorgesehen sind. Ob Rabbinerentscheidungen der nächsten Tage Lösungen anbieten, wird sich zeigen müssen. Im Interview mit tachles online hat Rabbiner Jeshua Ahrens eine solche Möglichkeit noch nicht in Betracht gezogen. Der erste Tag des behördlich verordneten Stillstands in der Schweiz ist ein historischer in mehrfacher Hinsicht.

Foto:
Leere Reihen in der Synagoge von Lausanne
© tachles

Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 17. März  2020