Bildschirmfoto 2020 03 22 um 09.18.20Gerangel um die Regierungsbildung einer nationalen Einheit in Israel

Jacques Ungar

Tel Aviv (Weltexpresso) - In einem Interview mit dem israelischen TV-Kanal 12 versicherte Premierminister Netanyahu am Samstagabend, sich «ohne Tricks» an Abmachungen zu halten und mit Blauweiß-Chef Benny Gantz im Amt des Regierungschefs zu abwechselnd zu rotieren und das Amt zum vereinbarten Termin zu verlassen.

Eindringlich rief Netanyahu sodann Gantz auf, zusammen mit dem Likud eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden. Er erklärte  ferner, die beiden Parteien hätten die Verhandlungen für das Aussehen einer solchen Regierung eigentlich schon beendet. Den Vereinbarungen entsprechend würde er als Erster als Premierminister dienen. «Millionen von Israeli warten auf uns».

Gantz seinerseits dementierte, dass ein Deal erzielt worden sei und sagte: «Wer für die Einheit ist, arbeitet nicht mit Ultimaten und gefährlichen Indiskretionen und versucht sicher nicht, unserer Demokratie und den Bürgen zu schaden, indem sie die Knesset lähmen».

Damit spielte er auf die letztwöchige Unterbrechung der Parlamentsdiskussionen durch den Knessetsprecher Yuli Edelstein, einem linientreuen Likud-Mitglied, an, der die Wiederaufnahme der Knessetdebatten auf Montag festsetzte. Damit hatte Edelstein klar auf Zeit gespielt und wahrscheinlich im Auftrag seines Parteichefs gehandelt.

Netanyahu sagte in dem TV-Interview, der Deal müsse noch unterschrieben werden, doch der von Blauweiß betriebene Versuch, Yuli Edelstein ersetzen zu wollen, würde das Zustandekommen des Abkommens verhindern.  – Wahrscheinlich wird der Oberste Gerichtshof am Sonntag befinden, dass der Knessetsprecher die Bildung von Kommissionen ebenso gestatten müsse wie eine Abstimmung darüber, wer Knessetsprecher sein solle wenn das Parlament am Montag wieder zusammentritt.

Laut Details der Vereinbarung würde der Likud zu Beginn die folgenden Posten bekleiden: Premier, Finanzminister und Knessetsprecher. Blauweiß würde mit den Ämtern des Vize-Premiers, Verteidigungs- und Aussenministers beginnen. Die Rotation soll nach anderthalb Jahren erfolgen. Das Amt des Justizministers würde entweder per Übereinkunft von einem Aussenseiter oder dann von einem Minister und Vize-Minister von jeder der zwei Parteien besetzt werden.


Netanyahu schob Yair Laipd, der Nummer zwei von Blauweiss, die Schuld für die Verzögerungen bei der Unterschrift des Deals in die Schuhe. Die Führungsspitze von Blauweiss bekräftigte am Freitag ihr Festhalten an der Befürwortung einer Regierung der nationalen Einheit. Sollte dies aber nicht möglich sein würde man «andere Alternativen und Optionen» in Betracht ziehen. Der Mitte-Linksblock verfügt über 61 Mandate, der Rechtsblock nur über deren 58. Eine Regierungsbildung in der 120-köpfigen Knesset wäre demnach denkbar, doch die knappe Mehrheit könnte sehr leicht zu Fall gebracht werden. – Avigdor Lieberman von «Israel Beiteinu» warnte am Wochenende davor, Netanyahu zu einem «Mao Tse Tung» werden zu lassen. Vor dem Hintergrund der Coronarise ist das Tauziehen um die Regierungsbildung an sich beschämend, doch das scheint nun mal die israelische Realität zu sein.


Foto:
Israels Premierminister Benjamin Netanyahu
© tachles

Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 22. März  2020