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Kategorie: Zeitgeschehen
kpm aus der Online PetitionOh Deutschland, deine Doofen, es ist das alte Lied...

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die rechte Aktivistin Vera Lengsfeld ruft dazu auf, sämtliche Einschränkungen zum Schutz gegen die Corona-Pandemie sofort aufzulösen.

Die ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete, die vordem bei den Grünen aktiv war und mittlerweile im Umfeld von Pegida und AfD agitiert (dort gedeihen Dummheit und Menschenverachtung bekanntlich besonders gut), beteiligt sich an einer Online-Petition, die von dem Ehepaar Helene und Ansgar Klein (zwei pensionierten Gymnasiallehrern mit eingeschränktem Durchblick) initiiert wurde. Dort wird u.a. ein unzulänglicher Vergleich zwischen der Mortalitätsrate von Influenza und Covid19 gezogen. Dabei wird sich ausgerechnet auf das Robert-Koch-Institut bezogen. Doch das hat längst klargestellt:

„Die Zahl der mit Influenza in Zusammenhang stehenden Todesfälle wird - vereinfacht dargestellt - als die Differenz berechnet, die sich ergibt, wenn von der Zahl aller Todesfälle, die während der Influenzawelle auftreten, die Todesfallzahl abgezogen wird, die (aus historischen Daten berechnet) aufgetreten wäre, wenn es in dieser Zeit keine Influenzawelle gegeben hätte. Das Schätz-Ergebnis wird als sogenannte Übersterblichkeit (Exzess-Mortalität) bezeichnet.“
Zudem seien die 25.000 geschätzten Grippetoten aus der Grippewelle 2017/18 ungewöhnlich hoch gewesen. Im überwiegenden Durchschnitt der Jahre ließen sich anhand des erwähnten Modellrechnung lediglich einige hundert Todesfälle nachweisen.

Diese tatsächlichen Sachverhalte verstehen Menschen mit schlichter intellektueller Struktur nur sehr schwer. Ebenso, wie sich dieser Gruppe das Worst-Case-Szenario der wichtigsten Experten nicht erschließt. Diesem zufolge könnte eine ungehinderte Verbreitung des Virus zu mehr als 50 Millionen Infizierten in Deutschland führen. Nach den bisherigen Erfahrungswerten würden 15 Prozent (8 Millionen) schwer erkranken und fünf Prozent (2,5 Millionen) sogar lebensgefährlich. Allein die Behandlung letzterer würde das deutsche Gesundheitssystem völlig überfordern. Und nicht zuletzt deswegen gibt es das Kontaktverbot sowie die dringenden Empfehlungen, einen Mindestabstand (1,50 Meter) von einander zu halten und sich insbesondere nach Besuchen in Geschäften oder nach Spaziergängen die Hände gründlich zu waschen.

Aber auch von anderer Seite werden bereits Geschütze gegen den Corona-Schutz in Stellung gebracht. Im Softporno-Sender RTL plädierte der Vizevorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Vorsitzende der christdemokratischen Mittelstandsunion, Carsten Linnemann, für die rechtzeitige Planung einer so genannten Exit-Strategie, die nach Möglichkeit bereits unmittelbar nach Ostern einsetzen müsse. Und er erwarte dazu Vorschläge aus der Wirtschaft. Vielleicht meint er damit Vorschläge von Airlines und Flughafenbetreibern, die trotz der WHO-Pandemiewarnung vom 30. Januar ungehindert Menschen aus Risikogebieten nach Deutschland eingeflogen und bei der Einreise nicht getestet haben? Oder Reiseveranstalter, die sogar noch Ende Februar Urlaubsreisen in kritische Regionen durchführten, wo über 150.000 Menschen schließlich strandeten? Ein Großteil von ihnen konnte mittlerweile zurückgeholt werden, wurde aber bei der Ankunft auf dem Frankfurter Flughafen offenbar nicht auf Corona getestet. Vermutlich könnten auch die CEOs der führenden Pharmahersteller Strategien skizzieren, wie man trotz Corona-Krise am Outsourcing der Produktion und damit an der Abhängigkeit von Firmen in China und Indien weiterhin festhalten kann. Auch die Geschäftsleitungen von Adidas, Deichmann oder H&M könnten Tipps geben, wie sich durch Nichtzahlung von Ladenmieten ein Wettbewerbsvorteil verschaffen lässt. Nur die Opfer der Pandemie, welche die grobfahrlässige Leichtfertigkeit der Wirtschaft mit ihrer Gesundheit, gar mit ihrem Leben bezahlen mussten und müssen, werden nicht befragt, können es auch zum Teil nicht mehr. Sie sind eben die Kollateralschäden der neoliberalen Globalisierung.

Voll im Trend des Neoliberalismus liegen beispielsweise die Verfechter einer Durchseuchung (Herdenimmunisierung). Denn erste „Erfolge“ zeichnen sich in Großbritannien und den USA ab. Die „natürliche“ Auslese (gemäß Darwin) passt zur kapitalistischen Marktwirtschaft wie die sprichwörtliche „Faust aufs Auge“. Nur der Widerstandsfähige kann sich über Wasser halten. Wegen fehlender Intensivbetten und Beatmungsgeräte wird in der Uniklinik Straßburg die Beatmung Schwersterkrankter von deren Zustand abhängig gemacht und indirekt wohl auch von deren Alter (80 plus). Diese Patienten erhalten lediglich noch eine Sterbebegleitung und eine palliative Betreuung. In weiten Teilen Italiens und Spaniens sieht es nicht anders aus.

Ich kann nur darauf hoffen, dass alle, die diese Pandemie überstehen, anschließend für die Verstaatlichung des gesamten Gesundheitssystems und für die Einführung einer Bürgerversicherung in Deutschland auf die Straße gehen werden. Dies könnte ein Modell sein für weitere Maßnahmen. Beispielsweise für ein Produktionsverbot von Überflüssigem und Gefährlichem. Und das Miteinander der Staaten müsste endlich von Internationalismus bestimmt sein und keinen Tag länger von neoliberaler Globalisierung.

Foto:
Online-Petition: „Sofortige Aufhebung aller in der "Corona-Krise" verfügten Einschränkungen bürgerlicher Freiheiten!“
© Helene und Ansgar Klein, Würselen