kpm Kardinal MullerDummbürger, Wutbürger, Verschwörungsideologen

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Der deutsche Kardinal Müller zählt zu den Unterzeichnern eines Aufrufs katholischer Extremisten.

In diesem werden die staatlichen Vorkehrungen gegen die Ausbreitung von Corona als diktatorisches Gebaren verleumdet. Der Aufruf geht auf eine Initiative des früheren Vatikan-Botschafters in den USA, Erzbischof Carlo Maria Vigano zurück. Neben Kardinal Müller wurde er auch von Kardinal Joseph Zen Ze-kiun aus Hongkong unterzeichnet. Außerdem finden sich die Unterschriften weiterer katholischer Geistlicher sowie von Medizinern, Journalisten und Anwälten auf dem Pamphlet. Erzbischof Vigano gehört zu den schärfsten Kritikern von Papst Franziskus. Er bezichtigte das Kirchenoberhaupt im vergangene Jahr der "offensichtlichen Lüge", weil Franziskus die in den USA bekannt gewordenen Missbrauchsfälle eindeutig verurteilte.

Wenn ich lese, in welch widerlicher Weise Kardinal Gerhard Ludwig Müller die Schutzmaßnahmen gegen Corona diffamiert, fällt mir zu ihm (in Anlehnung an Carl Zuckmayer) nur eine Charakterisierung ein: des Teufels Kardinal.
Im Vergleich zu ihm wirkt Mephistopheles, der leibhaftige Satan aus Goethes „Faust“, geradezu liberal. Vom intellektuellen Mephisto ist der eindimensionale Herr Müller meilenweit entfernt. Weil er sich in üblen Verschwörungsphantasien suhlt. Und weil er gemeinsam mit römisch-katholischen Ober- und Unterteufeln vor einer geheimen Weltregierung warnt. Diese entzöge sich jeder Kontrolle und schaffe mit den Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie einen Vorwand, um die Grundrechte der Bürger aufzuheben. Sie würden dazu verwendet, "Grundfreiheiten unverhältnismäßig und ungerechtfertigt" einzuschränken, einschließlich des Rechts auf Religionsfreiheit, freie Meinungsäußerung und Freizügigkeit. Wörtlich: „Wir lassen nicht zu, dass Jahrhunderte christlicher Zivilisation ... ausgelöscht werden, um eine hasserfüllte technokratische Tyrannei zu begründen.“

Alles klar. Der Schutz vor einer hochansteckenden Krankheit durch Abstandsregeln, Hygiene und Masken einschließlich temporärer Kontaktbeschränkungen, die Vermeidung von Langzeitfolgen eines noch längst nicht entschlüsselten Virus, die Behandlung von Schwererkrankten, das alles ist technokratische Tyrannei.

Der Generalvikar des Bistums Essen, Klaus Pfeffer, kommentierte das so: Jeder Unterzeichner des Aufrufs entblöße sich selbst. Er (Pfeffer) sei "einfach nur fassungslos, was da im Namen von Kirche und Christentum verbreitet wird: Krude Verschwörungstheorien ohne Fakten und Belege, verbunden mit einer rechtspopulistischen Kampf-Rhetorik, die beängstigend klingt."

Doch Propagandasprüche rechtsextremer „Christen“ finden auf den Demonstrationen gegen die Corona-Beschränkungen ein großes Echo. Erkennbar entwickelt sich in diesem derzeit noch heterogenen Milieu eine weltweite Allianz der Unvernunft, des Egoismus und der scheinbar grenzenlosen Dummheit.

Der Sinsheimer Arzt Bodo Schiffmann, Chef der neu-rechten Gruppierung „Widerstand 2020“, ist aus eben diesem Holz geschnitzt: „Ein gesunder Organismus würde Viren und Bakterien selbst eliminieren.“ Das klingt nach dem bekannten Abschnitt aus Charles Darwins „Die Abstammung des Menschen“: „Bei Wilden werden die an Geist und Körper Schwachen bald beseitigt und die, welche leben bleiben, zeigen gewöhnlich einen Zustand kräftiger Gesundheit.“

Da verwundert es nicht, dass dieses Sammelbecken aus Dummbürgern, Wutbürgern und Verschwörungsideologen bereits den Schulterschluss mit Rassisten, Identitären sowie AfD und NPD vollzogen hat. Auch die typische Gewaltbereitschaft asozialer Bewegungen ist bei Angriffen auf Fernsehteams in Berlin und Dortmund sichtbar geworden. Das auf mehreren Demonstrationen gezeigte Spruchband „Querdenken“ vermag seine ideologische Wurzel, nämlich die faschistische „Querfront“, nicht zu kaschieren. Unlängst war in Darmstadt auf einem Plakat zu lesen: „Geist ist geil – weg vom betreuten Denken“. Exakt das ist die Sprache „völkischer“ Gazetten wie „Compact“, „Sezession“ oder „Junge Freiheit“.

Bei diesen Demonstrationen geht es nicht um die Bewahrung von Grundrechten. Tatsächlich sind es Aufmärsche von Demokratiefeinden und Menschenschindern. Bei ihrem Anblick bin ich erinnert an Bertolt Brechts Gedicht „Der anachronistische Zug“:

„Blut und Dreck in Wahlverwandtschaft
Zog das durch die deutsche Landschaft.
Rülpste, kotzte, stank und schrie:
Freiheit und Democracy.“

Foto:
Kardinal Gerhard Ludwig Müller
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