Wolkenfoyer Stadtische Buhnen FrankfurtErhalt oder Zerstörung der Frankfurter Bühnen?

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Angesichts der politischen Auseinandersetzung um den Erhalt oder die Zerstörung der Frankfurter Theaterdoppelanlage fallen mir Verse von Heinrich Heine aus dem Jahr 1822 ein: „Es ist eine alte Geschichte, doch bleibt sie immer neu.“

Tatsächlich bleibt sie neu, weil den nichtsachkundigen politischen Verantwortlichen nichts substantiell Neues einfällt. Die Kulturdezernentin Ina Hartwig hängt einem Theaterbegriff an, gegen den sich bereits Lessing („Hamburgische Dramaturgie“) vor 250 Jahren wehrte. Der Mitbegründer der Aufklärung wandte sich gegen opulente Stücke, die nur Königen, Fürsten und dem Adel gefallen konnten und die sich auch in Architektur und Ausstattung der Häuser spiegelten. Ihnen setzte er in Anlehnung an Aristoteles ein Drama entgegen, das die Einheitlichkeit der Handlung, deren Natürlichkeit und Wahrscheinlichkeit beinhalten sollte. Mit Auswirkungen auf den gesamten Theaterbetrieb, der - nach heutigen Begriffen – in jedem Bestandteil zu demokratisieren war.

Planungsdezernent Mike Josef vermag trotz erheblicher Mühe keine intellektuelle Aura zu verströmen. Sein Engagement für Schauspiel und Oper wirkt wie angelesen und nicht verinnerlicht. Vielmehr vermittelt er die überkommene Feindschaft von Parteifunktionären gegenüber der kritischen Intelligenz (insbesondere in den eigenen sozialdemokratischen Reihen), vor der Robert Paul Wolff („Jenseits der Toleranz“) schon 1965 eindringlich warnte.

Baudezernent Jan Schneider träumt von einem futuristischen Neubau am Rand der Innenstadt, damit der bisherige Standort am Willy-Brandt-Platz der Immobilienspekulation überantwortet werden kann. Diese Absicht deckt sich mit der traditionellen Linie seiner Partei, der CDU. Dabei wäre sein Zupacken an anderer Stelle dringend notwendig. Denn ein großer Teil der Frankfurter Schulen befindet sich in einem maroden Zustand. Allein die hygienische Beschaffenheit der Toiletten legt den Verdacht nahe, dass es mit der Sauberkeit der politischen Motive ebenfalls schlecht bestellt ist.

Zwar hat sich die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung für einen Abriss der Theaterdoppelanlage und einen Neubau entschieden. Doch dessen Standort ist noch nicht festgelegt. Und durch das parteipolitische Hin- und Her geistern nach wie vor die Argumente von Denkmalschützern. Die votieren für den Erhalt des goldfarbenen Wolkenfoyers, das dem bisherigen Glasfoyer seinen besonderen Charakter verleiht. Mit der bekannten Halbherzigkeit amtlicher Bedenkenträger wird aber gleichzeitig die Opferung eben dieses Foyers nahegelegt. Da wäre es doch einfacher, das Wolkenfoyer am Ufer der Weseler Werft zu vergraben, quasi als Gebeine der Aufbruchstimmung der frühen 1960er Jahre, die damit endgültig erledigt wäre. Die Katholische Kirche, die den fortschreitenden Verlust ihrer geistlichen Substanz seit Jahrhunderten durch Reliquien (Leichenteile) kaschiert, könnte ein Vorbild sein.

Von der Politik hat die Frankfurter Theaterkultur keine Rettung zu erwarten. Eine solche könnte unerwarteterweise von ganz woanders herkommen. Nämlich vom Corona-Virus. Denn möglicherweise wird für die Dauer eines Jahrzehnts kein Geld (schätzungsweise eine Milliarde Euro) zum Neubau der Bühnen verfügbar sein. Die direkten und indirekten Kosten der Pandemie bescheren Frankfurt im laufenden Etat voraussichtlich Mindereinnahmen von 650 Millionen Euro. Und es ist unwahrscheinlich, dass Großbetriebe wie der Flughafen oder die Messe künftig noch bedeutende Gewerbesteuerquellen sein werden.

Für die Bausubstanz der städtischen Bühnen bedeutet das eine auf viele Jahre angelegte Reparaturlösung unter strikter Beachtung der Qualitätsnormen. Die Theater- und Opernbesucher mit geschultem Geschmack dürfen aber möglicherweise auf kulturelle Highlights hoffen, die während der mittlerweile dreijährigen Abriss- und Neubaudiskussion zu selten möglich waren.

Foto:
Wolkenfoyer im gemeinsamen Foyer von Schauspielhaus und Oper Frankfurt
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