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Kategorie: Zeitgeschehen
Bildschirmfoto 2020 09 12 um 02.32.58PEN Deutschland und andere: Aufruf für Menschenrechte und Demokratie in der Türkei

Darmstadt (,Weltexpresso) - Das PEN-Zentrum Deutschland, die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union dju in ver.di, der Deutsche Journalisten-Verband DJV, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels und das KulturForum TürkeiDeutschland unterstützen den Appell der demokratischen Opposition in der Türkei.

101 bekannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in der Türkei haben einen eindringlichen Appell an die demokratische Opposition veröffentlicht, in dem sie für Demokratie und Menschenrechte eintreten und gleichzeitig die türkische Regierungspartei AKP sowie die Oppositionsparteien kritisieren. Sie appellieren an die demokratische Verantwortung und rufen dazu auf, gemeinsam gegen das Unrechtsregime in der Türkei anzutreten, welches seit Jahren zehntausende Wissenschaftlerinnen, Journalisten, Kunst- und Kulturschaffende einsperrt und verfolgt sowie zahlreiche Krisenherde im Mittelmeerraum befeuert.

Die Unterzeichnenden nennen sich aufgrund ihrer Lebenserfahrung die „101 Weisen“. Sie gehören unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Kreisen an. Ihr Aufruf fand sowohl in der Türkei als auch unter den türkischen Oppositionellen im Ausland ein unerwartet breites Echo.

Beigefügt der Appell in deutscher Übersetzung sowie die Liste der Erstunterzeichnerinnen und -unterzeichner in der Türkei. Zu ihnen zählen Ahmet Türk, Rakel Dink, Orhan Pamuk und Zülfü Livaneli.

Aslı Erdoğan, Writers-in-Exile-Stipendiatin des deutschen PEN, sowie die PEN-Mitglieder Doğan Akhanlı, Kader Konuk, Günter Wallraff und Deniz Yücel gehören zu den Ersten, die außerhalb der Türkei den Aufruf unterzeichnet haben. Informationen des Kulturforums TürkeiDeutschland, wie weitere Personen den Aufruf unterzeichnen können, lassen sich ebenfalls der Anlage entnehmen.

Übersetzung des Originaltextes:

Appell der „101 Weisen“ in der Türkei: „Die Zukunft liegt in Euren Händen“

Mit dem folgenden Appell richten wir uns an alle Menschen in der Türkei, die es verdienen, in einer gerechten und freien Gesellschaft, in Ruhe und Frieden zu leben, und insbesondere an die jungen Menschen, die unser aller Hoffnung sind. Wir Unterzeichnenden blicken allesamt auf eine langjährige Lebenserfahrung zurück, wobei wir sehr unterschiedliche Lebenswege gegangen sind und unterschiedliche politische Überzeugungen vertreten.

Aufgrund dessen, was wir erleben, stellen wir fest:

  Nie zuvor hat unser Land eine solche Finsternis erlebt; eine solche Ungerechtigkeit und Rechtslosigkeit, eine so tiefgehende Zersetzung der Gesellschaft, eine Isolation in der Welt und einen so großen Verlust an Ansehen.
  Die Verfassung ist de facto außer Kraft gesetzt; die Justiz, die unabhängig und unparteiisch sein soll, ist „palast-hörig“ geworden, ebenso wie die Sicherheitskräfte. Sämtliche grundlegenden Institutionen der Republik werden der Reihe nach ihrer Funktion beraubt.
  In einem Klima von Willkür und Unterdrückung werden nun auch die letzten Elemente von Demokratie und Recht weggefegt.
  Erlasse mit Gesetzeskraft und andere Maßnahmen gefährden die Sicherheit von Leben und Eigentum, Menschenrechte und Freiheiten werden nicht mehr geschützt, unsere Bürgerrechte werden ständig verletzt. Berufsorganisationen bedürfen nunmehr politischer Genehmigung, die Informationsfreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung werden weiter eingeschränkt.
  Expansionslust und Eroberungsgier führen zu internationalen Konflikten; an die Stelle von Atatürks Prinzip „Frieden im eigenen Land, Frieden in der Welt“ treten Kriege, Auseinandersetzungen und Feindseligkeiten.
  Und das Schlimmste: Wir werden gespalten; unsere Gesellschaft wird zunehmend polarisiert; mit dem Ergebnis, dass Fromme und Säkulare, Sunniten und Aleviten, Rechte und Linke, Türken und Kurden, Junge und Alte sich nicht zusammenschließen, um gemeinsam dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten.   


Wir alle sind bedroht

Wir können es uns nicht leisten, sich im Sessel zurückzulehnen und zu behaupten, dies alles beträfe uns nicht. Die aktuellen Entwicklungen bedrohen uns alle. Während wir um unser tägliches Brot kämpfen, vergiften die politischen Machthaber die Atmosphäre, so dass die Gesellschaft kaum mehr atmen kann. Rechtliche Einschränkungen berauben uns unserer Freiheit und unserer Lebensgrundlagen.

Wir warnen die Regierung: Ihr habt die Macht, aber es ist eine Macht, die auf Zwang basiert. Ihr sucht nicht den Konsens. Deshalb sind viele Menschen unzufrieden, eingeschüchtert, beunruhigt. Das Schweigen dieser Menschen bedeutet aber keineswegs Zustimmung zu Eurer Regierungsweise; vielmehr ist dieses die Folge von Angst und Hilflosigkeit. Aber der Tag nähert sich, an dem dieser stille Widerspruch wächst, sich an der Wahlurne manifestiert und die Wähler dieser Entwicklung Einhalt gebieten.

Wir appellieren an die Opposition: Die Koalition aus AKP-MHP schöpft ihre Kraft aus dem zersplitterten Zustand der Opposition. Unser Land braucht eine starke Alternative, die verlässlich ist. Die Lösung liegt in einem demokratischen Bündnis, welches sämtliche oppositionelle Kräfte unter elementaren Grundsätzen der Menschenrechte vereint, unter Beibehaltung ihrer jeweils eigenen politischen Identität.


Ihr jungen Menschen, hört uns zu!

Bitte begreift unseren Appell an Euch nicht als Belehrung oder Bevormundung. Wir wollen unsere Erfahrungen mit Euch teilen - nicht zuletzt auch aus einem tiefen Gefühl des Schmerzes heraus: Wir haben es versäumt, Euch ein aufgeklärtes Land zu hinterlassen, wie Ihr es verdient hättet.

Wir haben unsere Hoffnung jedoch nie verloren. So lehnen wir uns dagegen auf, dass unser Land in tiefes Verderben gestürzt wird, dass jungen Menschen ihre Zukunft genommen und unser Volk zur Armut verdammt wird, dass unsere Ressourcen geplündert und wertvolle Teile der Natur verwüstet werden.

Unsere Hoffnung liegt nun auf Euch! Überwindet die Zersplitterung, die Feindschaften, die künstlich geschaffenen Fronten. Einigt Euch!

Erhebt Eure Stimme! Jetzt ist die Zeit, um Freiheiten einzufordern, um unsere Lebensgrundlagen und unsere Lebensweise zu verteidigen, um unser aller Recht zu behaupten.

Das Licht der Zukunft liegt in Euren Händen. Und wir, die wir grau und weise geworden sind, möchten dieses Licht sehen, solange wir noch leben.


101 Erstunterzeichner aus der Türkei:

Abdullah Nefes, Abdülbaki Erdoğmuş, Ahmet Aykaç, Ahmet İnsel, AhmetTelli, Ahmet Türk, Ali Bayramoğlu, Ali Sirmen, Altan Öymen, Arif Keskiner, Atilla Dorsay, Aydın Cıngı, Aydın Engin, Ayşe Erzan, Ayşenur Arslan, Baskın Oran, Binnaz Toprak, Bülent Ortaçgil, Canan Arın, Celal Doğan, Cem Toker, Cengiz Aktar, Cengiz Çandar, Cihangir İslam, Coşkun Özdemir, Doğan Bermek, Ercan Karakaş, Erdoğan Aydın, Ersin Kalaycıoğlu, Ersin Salman, Ertuğrul Günay, Ertuğrul Yalçınbayır, Eşber Yağmurdereli, Fatma Gök, Fatmagül Berktay, Fehmi Koru, Fikri Sağlar, Filiz Ali, Genco Erkal, Gençay Gürsoy, Gökhan Akçura, Gürel Tüzün, Hacer Ansal, Halil Ergün, Hasan Cemal, Hayri İnönü, Herkül Milas, İbrahim Betil, İbrahim Sinemillioğlu, İlhan Tekeli, Kazım Güleçyüz, Korkut Boratav, Marta Kalyoncu, Mehmet Hayri Kırbaşoğlu, Melek Ulagay, Meral Tamer, Meryem Koray, Moris Gabbay, Murat Belge, Murat Karayalçın, Müjde Ar, Nadire Mater, Nazar Büyüm, Necmiye Alpay, Nesrin Nas, Nesteren Davutoğlu, Nurettin Sözen, Orhan Pamuk, Orhan Silier, Osman Ulagay, Oya Baydar, Öget Öktem Tanör, Ömer Madra, Peral Bayaz, Rakel Dink, Reşit Canbeyli, Rıza Türmen, Selçuk Erez, Serra Yılmaz, Süleyman Coşkun, Süleyman Çelebi, Şahin Tekgündüz, Şanar Yurdatapan, Şebnem Korur Fincancı, Şevket Pamuk, Şükran Soner, Şükrü Aslan, Tarhan Erdem, Tarık Ziya Ekinci, Tuğrul Eryılmaz, Turhan Günay, Tülin Dursun, Ümit Aktaş, Üstün Ergüder, Vecdi Sayar, Veysi Dündar, Yaşar Okuyan, Yücel Erten, Zeynep Oral, Ziya Halis, Zülfü Livaneli.

Zu den Erstunterzeichnern in Europa gehören u.a.:

Taner Akçam, Lale Akgün, Doğan Akhanlı, Fatih Akın, Süleyman Ateş, Mustafa Ayrancı, Celal Başlangıç, Kemal Bozay, Anke Brunn, Angelika Claussen, Hıdır Çelik, Safter Çınar, Burak Çopur, Molla Demirel, Süleyman Demirtaş, Can Dündar, Kenan Engin, Hüseyin Erdem, Aslı Erdoğan, Çiler Fırtına, Ahmet Kerim Gültekin, Kazım Gündoǧan, Nezahat Gündoǧan, Ülkü Gürkan-Schneider, Banu Güven, Ahmet Insel, Atilla Keskin, Kader Konuk, Klaus Kost, Dilek Mayatürk-Yücel, Ralf Nestmeyer, Osman Okkan, Mehmet Oturan, Alper Öktem, Nafiz Özbek, Cem Özdemir, Doğan Özgüden, İnci Özgüden-Tugsavul, Toni Rütten, Alexander Skipis, John Steinmark, Nilüfer Tarıkahya, Kamil Taylan, İlias Uyar, Regula Venske, Felix von Grünberg, Günter Wallraff, Kemal Yalçın.

Wir bitten Sie, Ihre Solidarität mit der demokratischen Opposition in der Türkei zu bekunden und diesen Appell ebenfalls zu unterstützen:

 Bildschirmfoto 2020 09 12 um 02.24.47

Vielen Dank, auch dafür, dass Sie diesen Aufruf an potentielle UnterstützerInnen weiterleiten!

KulturForum TürkeiDeutschland e.V. Thürmchenswall 77
50668 Köln

Für Ihre Unterschriften und weitere Informationen:
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