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Kategorie: Zeitgeschehen
kpm Robin Wood Aktiviten bringen am Hessischen Landtag ein Protestbanner anDie Vorgänge am Dannenröder Forst könnten die Partei spalten

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die Hessischen Grünen haben sich ohne Not im Koalitionsvertrag auf den Ausbau der Autobahn 49 eingelassen.

Eine Notlage bestand allenfalls für die Parteiführung, insbesondere für den karrierebewussten Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir sowie die anderen drei grünen Minister der Landesregierung. Sie hätten nach einer gemeinsamen Legislaturperiode mit der CDU im Januar 2019 ihre Ämter aufgeben müssen. Falls die CDU nicht eingelenkt hätte, was aber nicht ausgeschlossen war. Denn eine Koalition mit der SPD, die sich vom Schmusekurs des Thorsten Schäfer-Gümbel erholen muss, hätte dort eine Katastrophe mit Fernwirkung auslösen können.

Al-Wazirs selbstgewählte Einflusslosigkeit, bezahlt mit den sprichwörtlichen 30 Silberlingen für ein Ministeramt, dem klassischen Verräterlohn, kollidiert nunmehr endgültig mit den Interessen eines großen Teils seiner Wähler. Denn die Rodungen im 20 KM östlich von Marburg gelegenen Dannenröder Forst könnten zur Nagelprobe für die Grünen werden. Während auch in Hessen infolge der Hitzesommer der letzten Jahre die Wälder absterben, wird ein 300 Jahre alter und überwiegend gesunder Laub- und Mischwald einer Autobahnverbindung geopfert, die vor dem Hintergrund einer dringend gebotenen Verkehrswende und einer vor 40 Jahren begonnenen Planung mittlerweile völlig unplausibel ist. Unter dem Wald liegt ein großer Grundwasserkörper, der auch als Wasserreservoir für das Rhein-Main-Gebiet dient. Dass das vom Bund für Umwelt- und Naturschutz und anderen Initiativen angerufene Bundesverwaltungsgericht diese vielgestaltige Problematik nicht erkannte, spricht nicht für dessen fachliche Kompetenz. Schließlich ist ein Planfeststellungsbeschluss kein Gesetz, geschweige denn ein Grundrecht.

Tarek Al-Wazirs Einwand, dass der Bau von Autobahnen Sache des Bundes sei und dort entschieden würde, überzeugt nicht. Jenseits der formalen Zuständigkeit muss auch der Zustand eines Ministeriums in Zweifel gezogen werden, dass durch automobilfreundliche CSU-Minister in den Zustand schwerster Inkompetenz versetzt wurde. Die von Andreas Scheuer verursachten Skandale um eine Pkw-Maut und die Propagierung von E-Rollern in Innenstädten sind nur die jüngsten Beispiele für wirklichkeitsfremde und gefahrenverbundene Entscheidungen. Die Grünen könnten hier zur Avantgarde des Protests werden.

Der Bundestagsfraktion der Grünen scheint die selbstgestellte Falle, in die ihre hessischen Parteifreunde gestürzt sind, bewusst zu sein. Sie fordert angesichts Klimabelastung und Mobilitätskrise den Baustopp für die A 49. Zwar befinden sich die Grünen im demoskopischen Aufwind und scheinen sich zu einer typischen Volkspartei zu entwickeln, der es weniger um die Durchsetzung genuiner Ziele geht, sondern vor allem um Regierungsbeteiligungen. Letzteres selbst auf die Gefahr hin, dabei Profil zu verlieren. Man denke nur an die FDP, die unter Christian Lindners Führung zu einem Event-Verein verkommen ist, der jedem nach dem Mund redet, um ein Bierzelt füllen zu können. Der aber bei dieser Umkehrung das verloren gegangen ist, was einst den politischen Liberalismus ausmachte. Auch die SPD könnte als warnendes Beispiel gelten. Seit Schröders Agenda-Politik gehen ihr entscheidende Wählergruppen verloren. Und es sieht nicht so aus, als würde sie sich davon jemals noch erholen können.

Den Grünen könnte Ähnliches blühen. Nämlich der Verlust von all dem, für das die Farbe Grün symbolisch steht. Mit der Fridays for Future-Bewegung gibt es bereits unüberwindbare Differenzen. Die Grünen reden zwar noch über Klimaschutz und Nachhaltigkeit, aber sie tun erkennbar nichts dafür. Auf der anderen Seite driftet die Globuli-Fraktion ins rechtsesoterische Abseits und unterstützt Corona-Verharmloser. Winfried Kretschmann, der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, unterstützt aus Überzeugung oder aus Opportunismus die Automobilindustrie. Und der Tübinger Bürgermeister Palmer folgt der AfD-Rhetorik gegen Migranten und hält einen Bodensatz an Corona-Toten für gesellschaftlich akzeptabel.

Annalena Baerbrock und Robert Habeck hätten längst erkennen können und müssen, dass es nicht ausreicht, wortreich Umwege aus dem politischen Hier und Heute zu formulieren. Notwendig sind vielmehr Haltung und Standpunkte. Das könnte ein paar Prozentpunkte kosten, weil dann die falschen Freunde wieder schwarz wählen würden. Aber es könnte eine Spaltung der Partei verhindern. Im Dannenröder Forst waren bereits Plakate mit der Aufschrift „Nie wieder Die Grünen“ zu sehen. Das sind Alarmsignale und sollten auch so verstanden werden.

Foto:
Robin Wood-Aktive bringen am Hessischen Landtag ein Protestplakat an

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