Bildschirmfoto 2020 11 15 um 23.37.31Filiz Acar-Chebli, eine gebürtige Konstanzerin und gläubige Muslimin, zusammen mit Natalia Hahn aus Kasachstan

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Kostanz (Weltexpresso) - Vor vier Jahren hat Filiz Acar-Chebli, eine gebürtige Konstanzerin und gläubige Muslimin, zusammen mit Natalia Hahn aus Kasachstan die Patenschaft für die Stolpersteine von Klara und Trudy Rothschild in Konstanz im Namen des Ellenrieder Gymnasiums übernommen. Ihre Söhne gehen auf die gleiche Schule wie einst Trudy.

An der Luisenschule, der höheren Mädchenschule, dem heutigen Ellenrieder Gymnasium, war Trudy die einzige Jüdin. Acar-Chebli hat diese Patenschaft übernommen, weil es ihr ein besonderes Anliegen ist, dass keine Minderheit wegen ihrer Religion diskriminiert wird. «Die Geschichte darf sich nicht wiederholen», sagte sie gegenüber tachles. «Die Rothschilds haben sich als Deutsche gefühlt. Trudys Vater hat im Ersten Weltkrieg freiwillig für Deutschland gekämpft und das Eiserne Kreuz erhalten», unterstreicht sie.

Am Sonntagabend hat Acar-Chebli mit Schwamm, Wasser und Edelstahlreiniger den Stein geputzt, Blumen niedergelegt und eine Kerze angezündet. Ein besonderer, stiller und trauriger Moment, so Acar-Chebli. Nach dem Putzen las sie die Geschichte der Familie vor und gedachte ihrer in einer Schweigeminute. «Ich bete dann für diejenigen, die nicht das Glück hatten, wie Klara und Trudy nach ihrer Deportation noch nach Amerika ausreisen zu dürfen.»

Dass das Putzen der Stolpersteine nötig sei, um an die Geschichte erinnert zu werden, und sie nicht allgegenwärtig ist, bedauert sie. Die Patenschaft wird von der Schule für die 9. und 10. Klassen organisiert. Wegen Covid-19 durften sie heute zum ersten Mal nicht anwesend sein und die Feierlichkeiten wurden verkürzt. Vor zwei Jahren kam Trudys Sohn, Rabbi Yitzchok Adlerstein, Direktor für interreligiöse Fragen des Simon Wiesenthal Center in Los Angeles und Jerusalem, mit seinem Sohn erstmals nach Konstanz, der Besuch war von der Initiative Stolpersteine organisiert worden. Für Acar-Chebli ist die Verbundenheit zwischen den Gläubigen wichtig. «Herzlichkeit und Mitgefühl verbinden die jüdische, die christliche und die muslimische Religion.» 

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©tachles

Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 13. November 2020