bidenzdfEine radikale Wende in der US-Außenpolitik ist notwendig. Dafür plädieren Benjamin Friedman und Stephen Wertheim

Andreas Mink

New York (Weltexpresso) - Der Regierungswechsel in Washington regt eine alte Diskussion an: Welche Rolle sollen die USA in der Welt spielen? Dazu liefern mit Benjamin Friedman und Stephen Wertheim zwei jüngere Denker im Fachmedium «Foreign Policy» einen spannenden Beitrag. Beide sind neben akademischen Positionen auch am «Quincy Institute for Responsible Statecraft» in Washington aktiv. Der neue Think Tank plädiert für einen Rückzug Amerikas von der Rolle des Weltpolizisten.

Diese Stoßrichtung verfolgt auch der aktuelle Beitrag von Friedman und Wertheim bei FP mit dem Titel «Say No, Joe»: Joe Biden habe als Kandidat zwar «die Restoration amerikanischer Führung in der Welt» angekündigt. Aber Biden habe als Vizepräsident unter Obama und im Wahlkampf gegen eine Eskalation von Militäreinsätzen in Afghanistan und jüngst für das Ende der amerikanischen Unterstützung Saudi Arabiens im Jemen-Konflikt argumentiert.

Daraus schöpfen die Autoren Hoffnung und unterbreiten der Biden-Regierung ein radikales Konzept: Die USA sollten das Streben nach globaler, militärischer Dominanz aufgeben. Diese sei nicht mehr bezahlbar, provoziere aber ein Wettrüsten nicht zuletzt mit China. Washington solle daher sehr viel stärker als in der Obama-Ära auf Allianzen mit anderen Staaten setzen, um regionale Konflikte beizulegen oder zu vermeiden. Verbündete hätten deutlich mehr zu ihrer eigenen Verteidigung beizutragen – was allerdings kein neuer Gedanke und ständig von Donald Trump gepredigt worden ist.

Friedman und Wertheim fordern jedoch, dass Biden aus den Ankündigungen Trumps ernst macht und die «endlosen Kriege» der USA in Nordostafrika, Nahost und Afghanistan einstellt. Nach dem Abzug amerikanische Truppen sollten regionale Staaten eigene Probleme selbst lösen. Dies soll gerade für den Nahen Osten im engeren Sinn gelten: Dort seien mit Ägypten, Iran, Israel, Saudi Arabien und der Türkei fünf starke Mächte präsent, die einander gegenseitig am Aufbau einer dominanten Position hindern würden. Amerika solle daher die permanente Einmischung in regionale Konflikte einstellen und so direkt zu einer Entspannung gerade des Konfliktes zwischen Iran und Israel/Saudi Arabien beitragen: Ohne den starken Freund Amerika im Rücken würden Verbündete friedlicher agieren.

Ähnlich argumentieren Friedman und Wertheim auch mit Blick auf die Nato: Biden solle unbedingt von einer Expansion des westlichen Bündnisses nach Osteuropa absehen und damit Spannungen mit Moskau reduzieren.

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Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 1. Dezember 2020