news.at hanauEin  Jahr danach - Lückenlose Aufklärung der Hanauer Morde gefordert

Constanze Weinberg

Unterwegs (Weltexpresso) – Was auf den ersten Blick völlig normal zu sein scheint, erweist sich bei näherem Hinsehen  als spektakulär. Ein Jahr nach den rassistischen Morden von Hanau mahnte jetzt der Beauftragte der Bundesregierung für die Anliegen von Opfern und Hinterbliebenen von terroristischen Anschlägen im Inland, Edgar Franke, eine lückenlose Aufklärung der Tatumstände an.

Am 19. Februar 2020 hatte ein 43jähriger Rechtsextremer neun Menschen erschossen und anschließend seine Mutter und sich selbst getötet. Ist die lückenlose Aufklärung einer so spektakulären Straftat mit politischem Hintergrund nicht eine Selbstverständlichkeit? Die Mitarbeiter der Strafverfolgungsbehörden, angefangen vom Streifenpolizisten bis hin zum Leitenden Staatsanwalt, sind laut Amtseid verpflichtet, Straftaten lückenlos aufzuklären. Dazu bedarf es keiner besonderen Aufforderung. Nach einem Jahr sollten die Tatumstände des Hanauer Geschehens längst aufgeklärt sein, zumal da der Hergang offen zu Tage lag.

Bezweifelt der Opferbeauftragten der Bundesregierung,  dass  tatsächlich alles vom Gesetz her Gebotene unternommen wurde, um die Begleitumstände auszuleuchten und etwaige Versäumnisse für die Zukunft auszuschließen?  Dass sich die Hinterbliebenen mit den bisherigen Ergebnissen nicht zufrieden geben, liegt in der Natur der Sache. Ihr Schmerz und ihr Zorn allein können aber kaum der Grund für den Schritt des Opferbeauftragten gewesen sein.

Im Deutschlandfunk sagte der SPD-Politiker, die Fragen der Angehörigen seien wichtig und müssten beantwortet werden. Nur so könnten die Familien der Opfer die Tat verarbeiten.  Zum Beispiel müsse geklärt werden, warum die Polizei nicht erreichbar gewesen sei. Eines der Opfer habe per Handy den Notruf gewählt, sei aber nicht durchgekommen. Der Bundesregierung warf Franke vor, die Gefahr des Rechtsextremismus erst jetzt erkannt zu haben, nachdem rechtsextremistische Taten massiv zugenommen hätten. Hinzu kommt, dass rechtsextremistische Netzwerke in der hessischen Polizei zusätzlich Zweifel genährt haben, ob der nötige Eifer bei der Verfolgung rassistischer Straftaten überall vorausgesetzt werden kann.

Mit einer ähnlichen Situation mussten sich auch die Hinterbliebenen der Opfer des NSU-Mordkommandos auseinandersetzen. Sie blieben ohne schlüssige Antwort auf ihre drängenden Fragen nach möglichen Hintermännern. Die Bundesanwaltschaft setzte im Prozess alles daran, den Schleier der Geheimhaltung um die Untätigkeit des Verfassungsschutzes bei der Verhinderung der Verbrechen aufrecht zu erhalten. Die Anwältin einer der betroffenen Familien gab den Sicherheitsbehörden eine Mitschuld an den Morden. Der Verfassungsschutz habe die Suche nach den drei Haupttätern gezielt behindert.

Die Forderung des Opferbeauftragten der Bundesregierung nach lückenloser Aufklärung des Verbrechens von Hanau sollte als Weckruf verstanden werden. Wenn der Sumpfboden trocken gelegt werden soll, auf dem immer wieder rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten gedeihen, genügen schöne Reden nicht  Dass keine jüdische Einrichtung in Deutschland ohne Polizeibewachung existieren kann, ist eine Schande. So hat sich Angela Merkel vor drei Jahren am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus ausgedrückt. Vielleicht sollte sie sich mit dem Opferbeauftragten ihrer Regierung einmal kurzschließen.