dw.comjemenWas lange währt wird – hoffentlich – endlich gut

Jacques Ungar

Tel Aviv (Weltexpresso) - Das israelische Kabinett hat einen Vorschlag angenommen, Kompensationszahlungen für die Affäre der «jemenitischen Kinder» an die betroffenen Familien zu leisten. Das geschah gut 70 Jahre nachdem die Affäre die Gemüter in der jüdischen Welt des frisch gegründeten Staates Israel erschüttert hatte und zahllose Kommissionen während Jahrzehnten vergeblich versucht hatten, eine allseits befriedigende Lösung zu finden.

Die Angelegenheit gehöre nach den Worten von Premier Binyamin Netanyahu zu den «schmerzvollsten Angelegenheiten in der Geschichte des Staates Israel». Die «Kinderaffäre» bezog sich auf das Verschwinden von schäzungsweise 1500-5000 Babies und Kleinkinder von Neueinwanderern, die in den Jahren 1948-54 ins Land gekommen waren.

Die meisten der Kinder gehörten zu Familien, die aus dem Jemen eingewandert waren. Es befanden sich aber auch Kinder aus dem Balkan, Irak, Marokko, Tunesien und Libyen unter den Verschwundenen. Juden aus diesen Staaten waren auch bekannt als «Mizrachim», das heisst aus dem Osten kommende Menschen. Im Laufe der Jahrzehnte haben die Eltern der veschwundenen Kinder aus dem Jemen immer wieder behauptet, die Behörden hätten ihnen gesagt, ihre Säuglinge seien gestorben, entweder bei der Geburt oder gleich darauf.

Die Eltern erhielten allerdings nie Sterbeurkunden oder Ähnliches und wurden auch nicht über die Begräbnisstätte informiert. Das stärkte den Verdacht, dass die Kinder bei kinderlosen Familien europäischen Ursprungs (Aschkenasim, vorwiegend Holocaust-Überlebende) untergebracht wurden. Die Zeit sei reif, betonte Netanyahu, dass die Eltern der betreffenden Kinder (vorausgesetzt, sie leben noch) anerkannt und entschädigt würden, auch wenn die Kompensation nicht sühnen würde für das an ihnen begangene Unrecht.

Die vom Kabinett bewilligte Kompensationssumme beläuft sich auf total 162 Millionen Schekel, Rund 50 Millionen Dollar. Dabei würden die einzelnen Familien bis zu je 200‘000 Schekel erhalten. In Frage kommende Familien können ihre Ansprüche zwischen Juni und November diesen Jahrs geltend machen.

Foto:
©
 
Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 24.2. 2021