Bildschirmfoto 2021 03 30 um 00.05.33Die Opposition ist sich einig - aber eigentlich doch nicht

Redaktion tachles

Tel Aviv (Weltexpresso) - Eigentlich sind sich alle einig, die Parteien des sogenannten «anti-Bibi-Blocks»: sie wollen den «ewigen Premier» endlich absetzen. Nach dem Wahlergebnis hätten sie durchaus die Möglichkeit dazu, denn Netanyahu hat mit seinen loyalen Koalitionspartnern nur 52 Mandate und ist weit von einer Mehrheit entfernt. Doch wie nicht anders zu erwarten war, beginnen sich die Gegner Netanyahus untereinander zu befehden und zu bekämpfen.

Weil Yair Lapid, dessen Partei «Yesh Atid» nach dem Likud zweitstärkste Kraft wurde, sich ausgerechnet am Pessach-Feiertag mit Vertretern der arabischen Parteien getroffen hat, sind die beiden Rechtsausleger, Gideon Sa’ar («Neue Hoffnung») und Naftali Bennett («Yamina»), stinksauer, noch dazu weil sie beide den Feiertag einhalten. Doch damit nicht genug, zwischen Lapid und Benny Gantz gibt es ebenfalls Animositäten. Beide waren noch bei der letzten Wahl in ihrem Kampf gegen Netanyahu vereint, doch dann hatte sich Gantz als Spitzenkandidat von der Blau-Weiß-Vereinigung, zu der auch Lapid mit seiner Partei gehörte, entschieden, sein Wahlversprechen zu brechen und doch mit Netanyahu zu koalieren.

Lapid ging in die Opposition, wütend auf Gantz, der wiederum hoffte, in der Koalition effektiven Einfluss zu bekommen. Doch wie jeder weiss, wurde nichts daraus. Nun haben sich die beiden Männer getroffen, doch Gantz kann sich nicht entscheiden, ob er Lapid unterstützen will oder eventuell doch Sa’ar oder Bennett, falls die beiden es hinbekämen, ihre Parteien jetzt zu vereinen. Ausgerechnet Avigdor Lieberman gibt den Besonnenen. Er will dem Präsidenten Lapid als Kandidaten für das Amt des Premiers empfehlen. Aber mehr noch, er bereitet gerade eine Gesetzesvorlage vor, die besagt, dass ein Angeklagter nicht mehr für das Amt des Premiers kandidieren darf. De facto gäbe es eine Mehrheit für dieses Gesetz in der Knesset. Dann wäre Netanyahu, dessen Prozess wegen mutmasslicher Korruption in einer Woche weitergeht, erledigt. Doch im Augenblick ist unklar, ob die Streithähne der Opposition ein einziges Mal in der Lage sind, ihre Egos beiseite zu schieben für das grosse Ziel: Netanyahu nach Hause zu schicken.

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Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 29.3. 2021